Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
gedient hat, beschimpfte er einmal in der Trunkenheit den Ober in einem Hotel ›tschechische Bagage‹. Ich mache dabei darauf aufmerksam, daß Major Wenzl in Gesellschaft ebenso wie daheim ausschließlich Tschechisch sprach und daß seine Söhne Tschechisch studieren. Es fiel ein Wort, und schon stands in der Lokalzeitung, und irgendein Abgeordneter brachte wegen des Verhaltens des Hauptmanns Wenzl im Hotel eine Interpellation im Wiener Parlament ein. Wenzl hatte davon große Unannehmlichkeiten, weil das gerade in die Zeit der parlamentarischen Bewilligung der Heeresvorlagen fiel, und da kommt ihnen grad so ein besoffener Hauptmann Wenzl aus Kuttenberg dazwischen.
Dann erfuhr Hauptmann Wenzl, daß ihm das alles der Kadettstellvertreter Zitek von der Einjährigfreiwilligenschule eingebrockt hatte. Der hatte den Vorfall in die Zeitung gegeben, denn zwischen ihm und Hauptmann Wenzl herrschte Feindschaft, seit Zitek in einer Gesellschaft in Anwesenheit Hauptmann Wenzls zu meditieren begonnen hatte, daß es genüge, sich in Gottes Natur umzusehen, zu beobachten, wie die Wolken den Horizont bedecken, wie am Horizont Berge emporragen und wie der Wasserfall in den Wäldern braust und die Vögel singen.
›Das genügt‹, sagte Kadettstellvertreter Zitek, ›um zu erkennen, was ein Hauptmann gegen die erhabene Natur bedeutet! Er ist genauso eine Null wie jeder Kadettstellvertreter.‹
Da damals alle Offiziere besoffen waren, wollte Hauptmann Wenzl den unglücklichen Philosophen Zitek verprügeln wie ein Pferd; diese Feindschaft steigerte sich, und der Hauptmann |315| sekkierte Zitek, wo er konnte, um so mehr, weil der Ausspruch des Kadettstellvertreters Zitek zum geflügelten Worte wurde.
›Was ist Hauptmann Wenzl gegen die erhabene Natur?‹ das kannte man in ganz Kuttenberg.
›Ich werde den Lumpen zum Selbstmord treiben‹, sagte Hauptmann Wenzl – doch Zitek quittierte und fuhr fort, Philosophie zu studieren. Von damals datiert das Toben des Majors gegen junge Offiziere. Nicht einmal ein Leutnant ist vor seiner Raserei sicher – von Fähnrichen und Kadetten gar nicht zu reden.
›Ich werde ihn zerquetschen wie eine Wanze‹, pflegte Major Wenzl zu sagen, und wehe dem Fähnrich, der jemanden wegen einer Kleinigkeit vor den Bataillonsrapport brachte. Für Major Wenzl ist nur ein großes und furchtbares Vergehen maßgebend, zum Beispiel wenn jemand beim Pulverturm auf der Wache einschläft, oder etwas noch Ärgeres anstellt, oder wenn ein Soldat in der Nacht über die Mauer der Marienkaserne klettert und auf der Mauer oben einschläft, sich in der Nacht von der Landwehr- oder Artilleriepatrouille fangen läßt, kurz, etwas so Schreckliches anstellt, daß er dem Regiment Schande macht.
›Um Christi willen!‹ hörte ich ihn einmal auf dem Gang brüllen, ›da hat ihn also zum drittenmal die Landwehrpatrouille gefangen. Werft ihn gleich ins Loch, die Bestie, der Kerl muß vom Regiment weg, irgendwohin zum Train, damit er Mist fährt. Und er hat sich nicht mal mit ihnen gerauft! Das sind keine Soldaten, sondern Straßenkehrer! Zu fressen gebt ihm erst übermorgen, nehmt ihm den Strohsack fort und steckt ihn in den Einzelarrest, ohne Decke, Dreckskerl!‹
Jetzt stellen Sie sich vor, lieber Freund, daß dieser blöde Fähnrich Dauerling gleich nach seinem Eintreffen einen Mann zum Bataillonsrapport schickt, weil er ihn angeblich absichtlich nicht gegrüßt hat, als Dauerling Sonntag nachmittag mit einem Fräulein im Fiaker übern Marktplatz fuhr! Damals soll es, wie die Unteroffiziere erzählt haben, beim Bataillonsrapport ein wahres Jüngstes Gericht gegeben haben. Der Feldwebel der Bataillonskanzlei lief mit den Registern bis auf den |316| Gang, und Major Wenzl brüllte Dauerling an: ›Das bitt ich mir aus, Himmeldonnerwetter, das verbitt ich mir. Wissen Sie, Herr Fähnrich, was ein Bataillonsrapport ist? Ein Bataillonsrapport ist kein Schweinefest! Wie hat er Sie sehen können, wenn Sie über den Marktplatz gefahren sind? Haben Sie nicht gelernt, daß man die Ehrenbezeigung Vorgesetzten leistet, denen man begegnet? Das bedeutet nicht, daß sich ein Soldat herumdrehen muß wie ein Rabe, um einen Herrn Fähnrich zu erspähen, der auf dem Marktplatz spazierenfährt. Schweigen Sie, ich bitt Sie. Der Bataillonsrapport ist eine sehr ernste Einrichtung. Wenn der Soldat Ihnen schon gesagt hat, daß er Sie nicht gesehen hat, weil er auf dem Korso grad zu mir gewendet, verstehn Sie, mir, Major Wenzl, die Ehrenbezeigung
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