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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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nicht, wies einem passiert.«
    »Manchmal«, sagte Schwejk, »macht sich einem wieder im Gefecht schlecht, etwas wird einem zuwider. In Prag aufm Pohořelec in der ›Aussicht‹ hat ein kranker Rekonvaleszent von Przemyśl erzählt, daß er dort unter der Festung zum Bajonettangriff gekommen is. Ihm gegenüber is ein Russ’ aufgetaucht, ein Kerl wie ein Berg, und is auf ihn mitm Bajonett losgegangen und hat einen großen Tropfen unter der Nas gehabt. Wie er ihm auf diesen Tropfen geschaut hat, auf diesen Rotz, hat sich ihm herich gleich so schlecht gemacht, daß er hat aufn Hilfsplatz gehn müssen, wo man ihn für cholerakrank befunden hat, man hat ihn in die Cholerabaracke in Pest geschafft, wo er sich auch wirklich angesteckt hat.«
    »War es ein gewöhnlicher Infanterist oder ein Korporal?« fragte der Einjährigfreiwillige.
    »Ein Korporal«, antwortete Schwejk ruhig.
    »Das könnt auch jedem Einjährigfreiwilligen geschehn«, sagte der Korporal blöd, aber dabei blickte er siegesbewußt den Einjährigfreiwilligen an, als wollte er sagen: Hab ichs dir aber gegeben, was wirst du darauf antworten?
    Der Einjährigfreiwillige aber schwieg und legte sich auf die Bank.
    Sie näherten sich Wien. Diejenigen, die nicht schliefen, beobachteten aus dem Fenster die Drahtverhaue und Befestigungen um Wien, was sichtlich im ganzen Zug das Gefühl einer gewissen Niedergeschlagenheit hervorrief.
    Das Gebrüll der Hammelhüter aus Bergreichenstein, »Wann ich kumm, wann ich kumm, wann ich wieda-wieda kumm«, das aus den Waggons tönte, verstummte unter dem unangenehmen Eindruck des Stacheldrahtes, mit dem Wien verdrahtet war.
    |370| »Alles is in Ordnung«, sagte Schwejk, die Schützengräben betrachtend, »alles is vollkommen in Ordnung, nur daß sich hier die Wiener auf Ausflügen die Hosen zerreißen können. Hier muß man vorsichtig sein.
    Wien ist überhaupt eine wichtige Stadt«, fuhr er fort, »wie viel wilde Tiere es nur in der Schönbrunner Menagerie gibt. Wie ich vor Jahren in Wien war, so bin ich mir am liebsten die Affen anschaun gegangen, aber wenn eine Persönlichkeit aus dem kaiserlichen Schloß fährt, so läßt man niemanden durchn Kordon durch. Ein Schneider ausn zehnten Bezirk war mit mir, und den hat man eingesperrt, weil er um jeden Preis die Affen hat sehn wolln.«
    »Waren Sie auch im Schloß?« fragte der Korporal.
    »Dort is sehr schön«, antwortete Schwejk, »ich war nicht dort, aber jemand hats mir erzählt, der dort war. Am schönsten is die Burgwache. Jeder von ihnen muß herich zwei Meter hoch sein, und dann kriegt er eine Trafik. Und Prinzessinnen gibts dort wie Mist.«
    Sie fuhren durch irgendeinen Bahnhof. Hinter ihnen verhallten die Klänge der österreichischen Hymne, die eine wohl irrtümlich hierhergekommene Kapelle spielte, denn erst nach geraumer Zeit fuhren sie mit dem Zug in einen Bahnhof ein, auf dem sie hielten. Es wurde Menage verteilt, und ein feierlicher Empfang fand statt.
    Aber es war nicht mehr so wie zu Kriegsbeginn. Zu Kriegsbeginn hatten sich die Soldaten auf der Fahrt an die Front auf jedem Bahnhof überfressen, waren von Kranzeljungfern mit idiotischen weißen Kleidern und noch blöderen Gesichtern, verdammt dummen Blumensträußen und einer noch dümmeren Ansprache irgendeiner Dame empfangen worden, deren Gatte heute den überzeugten Patrioten und Republikaner spielt.
    Beim Empfang in Wien waren drei Mitglieder des österreichischen Roten Kreuzes anwesend, zwei Mitglieder irgendeines Kriegsvereines, Wiener Frauen und Mädchen, ein offizieller Vertreter des Wiener Magistrats und des Militärkommandanten.
    |371| Auf allen Gesichtern zeichnete sich Ermüdung. Die Militärzüge fuhren bei Tag und bei Nacht, Sanitätswagen mit Verwundeten fuhren jede Stunde durch, auf den Bahnhöfen wurden beinahe ununterbrochen Waggons mit Gefangenen von einem Gleis auf das andere verschoben, und bei allem mußten die Mitglieder dieser verschiedenen Korporationen und Vereine zugegen sein. So ging es Tag für Tag, und die ursprüngliche Begeisterung verwandelte sich in Gähnen. Man löste einander im Dienst ab, und jeder, der die Pflicht hatte, auf einem Wiener Bahnhof zu erscheinen, sah genauso müde und erschöpft aus wie diejenigen, welche heute den Zug mit dem Budweiser Regiment erwarteten.
    Aus den Viehwagen schauten Soldaten mit dem Ausdruck der Hoffnungslosigkeit, wie ihn jene haben, die zum Galgen gehen.
    Damen näherten sich ihnen und verteilten Pfefferkuchen an sie mit der Aufschrift

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