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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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müssen wie Ochsen.«
    Sappeur Woditschka wurde nachdenklich, und nach einer Pause erklärte er: »Bis du bei diesem Auditor sein wirst, Schwejk, so irr dich nicht und wiederhol, was du das letztemal beim Verhör gesagt hast, daß ich nicht in eine Schlamastik komm. Also Hauptsache is, daß du gesehn hast, daß mich die magyarischen Fallotten überfalln ham. Wir ham alles auf gemeinsame Rechnung unternommen.«
    »Fürcht dich nicht, Woditschka«, beschwichtigte ihn Schwejk, »nur Ruhe, keine Aufregung nicht, is denn was dran, vor so einem Divisionsgericht zu stehn? Da hättest du sehn solln, wie so ein Militärgericht vor Jahren rasch gearbeitet hat. Da hat dir bei uns ein Lehrer Heral aktiv gedient, und der hat uns einmal, wie wir alle ausn Zimmer Kasernarrest gekriegt ham, aufm Kavallett erzählt, daß im Prager Museum ein Buch mit Aufzeichnungen von einem Militärgericht unter Maria Theresia is. Jedes Regiment hat seinen Scharfrichter gehabt, was die Soldaten von seinem Regiment hingerichtet hat, ein Stück nachm andern um |413| einen Theresianischen Taler. Und der Scharfrichter hat sich nach diesen Aufzeichnungen an manchem Tag bis fünf Taler verdient. Das versteht sich«, fügte Schwejk ernsthaft hinzu, »damals hats starke Regimenter gegeben, und fort hat man sie in den Dörfern ergänzt.«
    »Wie ich in Serbien war«, sagte Woditschka, »so ham sich bei unsrer Brigade manche dazu gemeldet, die Komitadschi für Zigaretten zu hängen. Wenn ein Soldat einen Mann gehängt hat, hat er zehn ›Sport‹ bekommen, für eine Frau und für ein Kind fünf. Dann hat die Intendantur angefangen zu sparen, und man hat massenweis erschossen. Mit mir hat ein Zigeuner gedient, und von dem hamrs lang nicht gewußt. Es war uns nur auffällig, daß man ihn immer auf die Nacht in die Kanzlei gerufen hat. Wir sind damals an der Drina gestanden, und einmal in der Nacht, wie er weg war, is jemandem eingefalln, ihm in seinen Sachen herumzuwühlen, und der Kerl hat im Rucksack ganze drei Schachteln zu hundert ›Sport‹ gehabt. Dann is er gegen früh in unsere Scheune zurückgekommen, und wir ham mit ihm kurzen Prozeß gemacht. Wir ham ihn zu Boden geworfen, und ein gewisser Beloun hat ihn mitm Riemen erkrängelt. Der Kerl hat ein zähes Leben gehabt wie eine Katze.«
    Der alte Sappeur Woditschka spuckte aus. »Er war nicht und nicht zum Erkrängeln, er hat sich uns schon bemacht, die Augen sind ihm herausgekrochen, und fort hat er gelebt wie ein nicht ganz totgeschnittener Hahn. Da ham sie ihn zerrissen wie eine Katze. Zwei beim Kopf, zwei bei den Füßen und ham ihm das Genick umgedreht. Dann ham sie ihm seinen Rucksack samtn Zigaretten übern Kopf gezogen und ham ihn hübsch in die Drina geworfen. Wer möcht solche Zigaretten rauchen. Früh hat man ihn überall gesucht.«
    »Da habt ihr melden solln, daß er desertiert is«, bemerkte Schwejk rechtschaffen, »daß er sich schon drauf vorbereitet hat und daß er jeden Tag gesagt hat, daß er verduften wird.«
    »Aber wem möcht so was einfalln«, antwortete Woditschka, »wir ham das Unsrige getan, und das andre hat uns nicht gekümmert. Das war dort ganz leicht. Jeden Tag is jemand verschwunden, |414| und man hat sie nicht mal mehr aus der Drina gefischt. Ein aufgedunsener Komitadschi is dort neben einem zerschlagenen Landwehrmann von uns hübsch auf der Drina in die Donau geschwommen. Ein paar Unerfahrene, die das zum erstenmal gesehn ham, ham ein kleines Fieber gekriegt.«
    »Denen ham sie Chinin geben solln«, sagte Schwejk.
    Sie betraten das Gebäude mit den Kanzleien des Divisionsgerichtes, und die Patrouille führte sie sofort in die Kanzlei Nummer 8, wo hinter einem langen Tisch mit Aktenstößen Auditor Ruller saß.
    Vor ihm lag ein Gesetzbuch, auf dem ein nicht ganz geleertes Teeglas stand. Auf der rechten Seite des Tisches stand ein Kruzifix aus imitiertem Elfenbein mit einem verstaubten Christus, der verzweifelt auf das Postament seines Kreuzes blickte, wo sich Asche und Zigarettenabfälle befanden.
    Auditor Ruller klopfte gerade zum Leidwesen des gekreuzigten Gottes an dem Postament die Asche einer frischen Zigarette ab, wobei er mit der andern Hand das Teeglas emporhob, das an dem Gesetzbuch klebte. Während er das Glas aus der Umarmung des Gesetzbuches befreite, fuhr er fort, in einem Buch zu blättern, das er aus dem Offizierskasino entliehen hatte.
    Es war ein Buch von Fr. S. Kraus mit dem vielversprechenden Titel »Untersuchungen zur Entwicklungsgeschichte der

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