Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
sagte der Rechnungsfeldwebel, während er sich faul auf seinem Bette rekelte, »das is schon so eingebürgert, du kannst antworten, was du willst, kannst machen, was du willst, immer müssen Wolken über dir hängen und die Donner fangen an zu rollen. Ohne das is keine Disziplin möglich.«
»Ganz gut gesagt«, meinte Schwejk. »Dran wer ich nie vergessen, wie sie den Rekruten Pech eingesperrt ham. Lajtnant bei der Kompanie war ein gewisser Moc, und der hat sich die Rekruten zusammgerufen und hat jeden gefragt, woher er is.
›Ihr grünen Rekruten, ihr verfluchten‹, sagte er zu ihnen, ›ihr müßt lernen, klar zu antworten, präzis und wie wenn man mit der Peitsche knallt. Also fangen wir an. Woher sind Sie, Pech?‹ Pech war ein intelligenter Mensch und hat geantwortet: ›Unterbautzen, zweihundertsiebenundsechzig Häuser, tausendneunhundertsechsunddreißig tschechische Einwohner, Hauptmannschaft Jitschin, Bezirk Sobotka, ehemalige Herrschaft Kost, Pfarrkirche der heiligen Katharina aus dem 14. Jahrhundert, renoviert durch Graf Wenzel Wratislav Netolitzky, |456| Schule, Post, Telegraf, Station der böhmischen Handelsbahn, Zuckerfabrik, Mühle mit Säge, Einzelhof Walch, sechs Jahrmärkte.‹ Und da is Lajtnant Moc schon auf ihn zugesprungen und hat angefangen, ihm eine nach der andern übers Maul zu haun, und hat geschrien: ›Da hast du einen Jahrmarkt, da hast du den zweiten, den dritten, den vierten, den fünften, den sechsten.‹ Und Pech, obzwar er Rekrut war, hat sich zum Bataillonsrapport gemeldet. In den Kanzleien war damals so eine lustige Packasch, so hat sie aufgeschrieben, daß er wegen den Jahrmärkten in Unterbautzen zum Bataillonsrapport geht. Bataillonskommandant war Major Rohell. ›Also was gibts?‹ hat er Pech gefragt, und der hat losgelegt: ›Melde gehorsamst, Herr Major, daß in Unterbautzen sechs Jahrmärkte sind.‹ Da hat ihn Major Rohell angebrüllt, mit den Füßen gestampft und ihn gleich in die Meschuggenabteilung vom Militärspital abführen lassen; seit der Zeit is aus Pech der ärgste Soldat worden, lauter Strafe.«
»Soldaten sind schwer zu erziehen«, sagte Rechnungsfeldwebel Wanĕk gähnend. »Ein Soldat, der beim Militär nicht bestraft worden is, is kein Soldat. Das hat vielleicht im Frieden gegolten, daß ein Soldat, was sich seinen Dienst ohne Strafe abgetan hat, dann im Zivildienst den Vorrang gehabt hat. Heutzutag sind grad die ärgsten Soldaten, was sonst im Frieden nicht ausn Arrest gekrochen sind, im Krieg die besten Soldaten. Ich erinner mich bei der 8. Marschka an den Infanteristen Sylvanus. Der hat früher eine Strafe nach der andern gekriegt, und was für Strafen. Er hat sich nicht geniert, einem Kameraden den letzten Kreuzer zu stehln, und wie er ins Gefecht gekommen is, hat er als erster die Drahthindernisse durchschnitten, drei Kerle gefangengenommen und einen gleich am Weg erschossen, weil er ihm herich nicht getraut hat. Er hat die große silberne Medaille bekommen, man hat ihm zwei Sterndln angenäht, und wenn man ihn später nicht bei Dukla gehängt hätt, wär er schon längst Zugführer. Aber hängen ham sie ihn müssen, weil er sich nach einem Gefecht zur Rekognoszierung gemeldet hat und irgendeine Patrouille von einem andern Regiment ihn gefunden hat, wie er Leichen ausgeraubt |457| hat. Man hat bei ihm etwa acht Uhren und viele Ringe gefunden. So ham sie ihn beim Brigadestab gehängt.«
»Draus sieht man«, bemerkte Schwejk weise, »daß jeder Soldat sich seine Stellung selbst erobern muß.«
Das Telefon klingelte. Der Rechnungsfeldwebel ging zum Telefon, und man konnte die Stimme Oberleutnant Lukaschs unterscheiden, der fragte, wies mit den Konserven stehe. Dann vernahm man irgendwelche Vorwürfe.
»Wirklich, es sind keine, Herr Oberlajtnant!« schrie Wanĕk ins Telefon, »wo wären sie denn, das is nur eine Phantasie von oben, von der Intendantur. Das war ganz unnütz, die Leute hinzuschicken. Ich hab Ihnen telefonieren wolln … Daß ich in der Kantine war? Wer, daß das gesagt hat? Dieser Okkultistenkoch aus der Offiziersmenage. Ich hab mir erlaubt, dort einzukehren. Wissen Sie, Herr Oberlajtnant, wie dieser Okkultist diese Panik mit diesen Konserven genannt hat? ›Schrecken des Ungeborenen‹. Keineswegs, Herr Oberlajtnant, ich bin ganz nüchtern. Was der Schwejk macht? Er is hier. Soll ich ihn rufen?«
»Schwejk, zum Telefon«, sagte der Rechnungsfeldwebel und fügte leise hinzu, »und wenn er Sie fragen möcht, wie ich gekommen bin, so
Weitere Kostenlose Bücher