Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
rütteln begann, versetzte ihm Wanĕk eins in die Nase. Dann legte er sich auf den Bauch und schlug mit den Füßen auf dem Kavallett rings um sich.
Schwejk gelang es aber trotzdem, Wanĕk so weit zu erwecken, daß dieser sich, während er sich die Augen rieb, auf den Rücken legte und erschrocken fragte, was geschehen sei.
»Soweit nichts«, antwortete Schwejk, »ich möcht mich nur gern mit Ihnen beraten. Jetzt grad hamr ein Telefonogramm gekriegt, daß Herr Oberlajtnant Lukasch morgen um neun Uhr zum Herrn Oberst zur Besprechung kommen soll. Ich weiß jetzt nicht, woran ich bin. Soll ich ihms gleich ausrichten |449| gehn oder erst früh? Ich hab lang geschwankt, ob ich Sie wecken soll, wenn Sie so schön geschnarcht ham, aber dann hab ich mir gedacht, was liegt dran, lieber berätst du dich.«
»Um Gottes willn, bitte Sie, lassen Sie mich schlafen«, stöhnte Wanĕk, übers ganze Gesicht gähnend, »gehn Sie erst früh hin, und wecken Sie mich nicht!« Er wälzte sich auf die Seite und schlief augenblicklich wieder ein.
Schwejk ging abermals zum Telefon, setzte sich und fing an, über dem Tisch einzunicken. Ein Läuten weckte ihn.
»Haloo, 11. Marschkompanie.«
»Ja, 11. Marschkompanie. Wer dort?«
»13. Marschka. Haloo. Wieviel Uhr hast du? Ich kann die Zentrale nicht errufen. Mich kommen sie etwas lang nicht ablösen.«
»Bei uns steht die Uhr.«
»Da seid ihr so dran wie wir. Weißt du nicht, wann man fährt? Hast du nicht mit der Regimentskanzlei gesprochen?«
»Dort wissen sie einen Dreck, wie wir.«
»Sein Sie nicht so ordinär, Fräulein. Habt ihr schon Konserven gefaßt? Von uns sind sie hingegangen und ham nichts gebracht. Das Magazin war zugesperrt.«
»Die Unsrigen sind auch leer zurückgekommen.«
»Es is überhaupt eine unnütze Panik. Wohin glaubst du, fahren wir?«
»Nach Rußland.«
»Ich denk, daß eher nach Serbien. Das wern wir sehn, bis wir in Pest sind. Wenn man uns nach rechts fahren wird, so schaut draus Serbien heraus, und nach links Rußland. Habt ihr schon Brotsäcke? Herich wird jetzt die Löhnung erhöht wern? Spielst du Frische Viere? Spielst du? Also komm morgen. Wir spieln jeden Abend. Wieviel seid ihr dort beim Telefon? Allein? Also scheiß drauf und leg dich. Da habt ihr bei euch eine komische Ordnung. Daß du dazu gekommen bist wie ein Blinder zu einer Geige? Na, endlich sind sie mich ablösen gekommen. Schnarch süß.«
Und Schwejk schlief tatsächlich beim Telefon süß ein, nachdem er vergessen hatte, den Hörer anzuhängen, so daß ihn |450| niemand in seinem Schlummer auf dem Tisch störte, und der Telefonist in der Regimentskanzlei schimpfte, weil er die 11. Marschkompanie mit einem neuen Telefonogramm nicht erreichen konnte, dessen Inhalt lautete: Alle diejenigen, die nicht gegen Typhus geimpft worden sind, mögen sich morgen bis zwölf Uhr in der Regimentskanzlei einfinden.
Oberleutnant Lukasch saß einstweilen noch im Offizierskasino mit Militärarzt Schanzler, der, rücklings auf einem Stuhle sitzend, in regelmäßigen Intervallen mit einem Queue auf den Boden schlug und dabei nacheinander folgende Sätze hervorstieß: »Der sarazenische Sultan Salah-Edin hat zum erstenmal die Neutralität des Sanitätskorps anerkannt.
Man soll die Verwundeten bei beiden Parteien pflegen.
Man soll ihnen die Medikamente und die Pflege gegen Ersatz der Kosten durch die andere Partei bezahlen.
Es soll ihnen erlaubt sein, ihnen Ärzte und deren Gehilfen mit Pässen von Generalen zu schicken.
Gefangene Verwundete sollen auch unter dem Schutz und der Garantie von Generalen zurückgeschickt oder ausgetauscht werden. Aber sie können dann weiterdienen.
Die Kranken auf beiden Seiten sollen nicht gefangengenommen und erschlagen, sondern ohne Gefahr in die Spitäler geschafft werden, und es soll ihnen eine Wache belassen werden, die ebenso wie die Kranken mit den Pässen der Generale zurückkehren soll. Das gilt auch für Feldgeistliche, Ärzte, Chirurgen, Apotheker und Krankenpfleger, Gehilfen und andere Personen, die für die Bedienung der Kranken bestimmt sind. Sie dürfen nicht gefangengenommen werden, sondern müssen auf die gleiche Art zurückgeschickt werden.«
Doktor Schanzler hatte dabei bereits zwei Queues zerbrochen und war noch immer nicht fertig mit seinen sonderbaren Erörterungen der Verwundetenfürsorge im Kriege, in die er unablässig etwas von irgendwelchen Generalpässen einflocht.
Oberleutnant Lukasch trank den schwarzen Kaffee aus und ging nach Hause, wo
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