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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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Tür und wieder zurück zum Kavallett des Rechnungsfeldwebels, vor dem er stehenblieb, und bemerkte: »Was meine Person anlangt, Herr Rechnungsfeldwebel, wie ich das gehört hab, was Sie von diesen Gestalten gesagt ham, so hab ich mich an einen gewissen Zatka, einen Gasarbeiter, erinnert, was auf der Gasstation am Belvedere gearbeitet und Lampen angezündet hat und wieder ausgelöscht hat. Er war ein aufgeklärter Mann und is in allen möglichen Butiken am Belvedere herumgegangen, weil man zwischen dem Anzünden und Auslöschen der Lampen Langweil hat, und dann gegen früh hat er auf der Gasstation grad solche Gespräche geführt wie Sie, nur daß er wieder gesagt hat, der Würfel is eine Kante, deshalb is ein Würfel kantig. Ich habs auf eigene Augen gehört, wie mich ein besoffener Polizist wegen Verunreinigung der Straße irrtümlich statt auf der Polizeiwache auf der Gasstation vorgeführt hat.
    Und dann«, sagte Schwejk leise, »hat das mit dem Zatka nach einiger Zeit sehr schlecht geendet. Er is in die Marienkongregation eingetreten, is mit den himmlischen Jungfrauen zu den Predigten vom Pater Jemelka zum heiligen Ignaz am Karlsplatz gegangen und hat mal, wie die Missionäre am Karlsplatz beim heiligen Ignaz waren, vergessen, die Gaslaternen in |454| seinem Rayon auszulöschen, so daß dort auf den Straßen drei Tage und Nächte ununterbrochen Gas gebrannt hat.
    Das is sehr schlecht«, fuhr Schwejk fort, »wenn jemand auf einmal anfängt, sich ins Philosophieren einzulassen, draus stinkt immer ein Delirium tremens. Vor Jahren ham sie zu uns von den Fünfundsiebzigern einen gewissen Major Blüher versetzt. Der hat sich uns immer einmal im Monat antreten, uns ins Karree stelln lassen und hat mit uns nachgedacht, was das is: militärische Obrigkeit. Der hat nichts anderes getrunken wie Sliwowitz.
    ›Jeder Offizier, Soldaten‹, hat er uns aufn Kasernhof erklärt, ›is von sich selbst das vollkommenste Geschöpf, was hundertmal soviel Verstand hat wie ihr alle zusamm, ihr könnt euch überhaupt nichts Vollkommeneres vorstelln, Soldaten, wie einen Offizier, nicht mal, wenn ihr euer ganzes Leben dran denken möchtet. Jeder Offizier is ein notwendiges Geschöpf, derweil ihr Soldaten nur bloß zufällige Geschöpfe seid. Ihr könnt existieren, aber ihr müßt nicht. Wenns zu einem Krieg kommen möcht, Soldaten, und ihr für Seine Majestät den Kaiser falln möchtet, gut, damit möcht sich nicht viel ändern, aber wenn zuerst euer Offizier falln möcht, dann erst möchtet ihr sehn, wie ihr von ihm abhängig wart und was für ein Verlust das is. Der Offizier muß existieren, und ihr habt eure Existenz eigentlich nur von den Herren Offizieren geliehen: Ihr stammt von ihnen ab, ihr könnt nicht ohne Offiziere bestehn, ihr könnt ohne eure militärische Obrigkeit nicht mal furzen. Für euch, Soldaten, is der Offizier ein moralisches Gesetz, ob ihrs versteht oder nicht, und weil jedes Gesetz seinen Gesetzgeber haben muß, Soldaten, so is es nur der Offizier, dem ihr euch in allem verpflichtet fühlt und verpflichtet fühln müßt und dessen jede Anordnung ihr erfüllen müßt, wenns euch auch nicht gefalln sollt.‹
    Dann einmal, wie er fertig war, is er ums Karree herumgegangen und hat einen nach dem andern gefragt: ›Was fühlst du, wenn du zu spät nach Haus kommst?‹
    Sie ham so verwirrte Antworten gegeben, daß sie noch nie zu spät gekommen sind oder daß ihnen nach jedem Zuspätkommen |455| schlecht vom Magen is, einem war, wie wenn er Kasernarrest hätt, usw. Die alle hat Major Blüher gleich zur Seite führen lassen, daß sie dann Nachmittag aufn Hof Klenkübungen machen wern zur Strafe, weil sie sich nicht ausdrücken können, was sie fühln. Bevor die Reihe an mich gekommen is, hab ich mich erinnert, worüber er zuletzt mit uns nachgedacht hat, und wie er zu mir gekommen is, hab ich ihm ganz ruhig gesagt: ›Melde gehorsamst, Herr Major, daß wenn ich zu spät komm, fühl ich immer irgendeine Unruhe, Angst und Gewissensbisse. Wenn ich aber, wenn ich Überzeit krieg, ordentlich zur Zeit in die Kaserne zurückkomm, dann befällt mich irgendeine glückselige Ruhe, kriecht eine innere Zufriedenheit in mich.‹
    Alles herum hat gelacht, und Major Blüher hat mich angeschrien: ›Auf dich kriechen höchstens Wanzen, du Lümmel, wenn du am Kavallett schnarchst. Er macht sich noch eine Hetz, der Kerl, der elende.‹
    Und ich hab dafür Spangen bekommen, daß es eine Freude war.«
    »Beim Militär gehts nicht anders«,

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