Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
»Kame raden « tituliert hatte.
»Also, meine Herren!« – Und er fing an vorzutragen, daß er gestern abend vom Oberst eine die Seite 161 der »Sünden der Väter« von Ludwig Ganghofer betreffende Instruktion erhalten habe.
»Also, meine Herren«, fuhr er feierlich fort, »eine ganz vertrauliche Information betreffs des neuen Systems des Chiffrierens von Depeschen im Feld.« Kadett Biegler zog Notizbuch und Bleistift heraus und sagte in ungewöhnlich diensteifrigem Ton: »Ich bin fertig, Herr Hauptmann.«
Alle schauten den Dummkopf an, dessen Strebsamkeit in der Einjährigfreiwilligenschule an Blödheit grenzte. Er war freiwillig zum Militär gegangen und erklärte sofort bei der ersten Gelegenheit dem Kommandanten der Einjährigfreiwilligenschule, als sich dieser mit den Familienverhältnissen der Schüler bekannt machte, daß seine Ahnen sich ursprünglich Bügler von Leuthold geschrieben und im Wappen einen Storchenflügel mit einem Fischschwanz gehabt hätten.
Seit dieser Zeit nannte man ihn nach seinem Wappen nur den »Storchenflügel mit dem Fischschwanz«; er wurde grausam verfolgt und war mit einemmal unsympathisch geworden; denn das alles paßte in keiner Weise zu dem ehrbaren Hasen- und Kaninchenfellgeschäft seines Vaters, obwohl der romantische, begeisterte Sohn sich ehrlich bemühte, die ganze Kriegswissenschaft zu fressen, und durch Fleiß und die Kenntnis nicht nur all dessen, was man ihm zum Lernen vorlegte, hervorragte, sondern sich selbst immer mehr und mehr in das Studium von Schriften über die Kriegskunst und die Geschichte der Kriegführung vertiefte, von der er stets zu sprechen begann, bis man ihn abtrumpfte und kaltstellte. Er glaubte, daß er in Offizierskreisen den hohen Chargen ebenbürtig sei.
»Sie, Kadett«, sagte Hauptmann Sagner, »solange ich Ihnen nicht zu sprechen erlaube, so schweigen Sie, weil Sie niemand nach was gefragt hat.
|489| Übrigens sind Sie ein verflucht gescheiter Soldat. Jetzt lege ich Ihnen ganz vertrauliche Informationen vor, und Sie schreiben sie sich in Ihr Notizbuch ein. Bei Verlust des Notizbuches erwartet Sie das Feldgericht.«
Kadett Biegler hatte noch obendrein die üble Gewohnheit, sich immer zu bemühen, jeden mittels irgendeiner Ausrede zu überzeugen, daß er es gut meine.
»Melde gehorsamst, Herr Hauptmann«, antwortete er, »daß selbst bei einem eventuellen Verlust des Notizbuches niemand entziffern kann, was ich geschrieben habe, weil ich es stenographiere und niemand meine Kürzungen nach mir lesen kann. Ich benütze das englische Stenographiesystem.«
Alle schauten ihn verächtlich an, Hauptmann Sagner winkte mit der Hand und fuhr in seinem Vortrag fort.
»Ich habe bereits über die neue Art des Chiffrierens von Depeschen im Felde gesprochen. Es wird Ihnen vielleicht unverständlich, warum Ihnen in der Novelle Ludwig Ganghofers, ›Die Sünden der Väter‹, gerade Seite 161 empfohlen wurde; es ist dies, meine Herren, der Schlüssel zu der neuen Chiffriermethode, die auf Grund einer neuen Verordnung des Generalstabs des Armeekorps, dem wir zugeteilt sind, in Gültigkeit getreten ist. Wie Ihnen bekannt ist, gibt es viele Methoden der Chiffrierung wichtiger Mitteilungen im Felde. Die neueste, die wir benützen, ist die ergänzende Ziffernmethode. Damit entfallen auch die Ihnen in der vorigen Woche vom Regimentsstab eingehändigten Chiffren und die Anleitung zu ihrer Entzifferung.«
»Erzherzog-Albrecht-System«, murmelte der strebsame Kadett Biegler vor sich hin, »8922–R, übernommen aus Methode Gronfeld.«
»Das neue System ist sehr einfach«, tönte die Stimme des Hauptmanns durch den Waggon. »Ich habe persönlich vom Herrn Oberst das zweite Buch samt der Information bekommen.
Wenn wir zum Beispiel den Befehl erhalten sollten: ›Auf Kote 228 Maschinengewehrfeuer links richten‹, erhalten wir, meine Herren, diese Depesche: ›Sache – mit – uns – das – wir |490| auf – sehen – in – die – versprachen – die – Martha – dich – das – ängstlich – dann – wir – Martha – wir – den – wir – Dank – wohl – Regiekollegium – Ende – wir – versprachen – wir – gebessert – versprachen – wirklich – denke – Idee – ganz – herrscht – Stimme – letzten.‹ Also sehr einfach, ohne jede überflüssige Kombination. Vom Stab per Telefon zum Bataillon, vom Bataillon per Telefon zur Kompanie. Sobald der Kommandant diese chiffrierte Depesche erhalten hat, entziffert er sie auf folgende
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