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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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eines der besten ist, sondern wir können sagen, das unerreichbarste. Da können alle feindlichen Gegenspionagemaßnahmen nicht dran. Wenn sie sich zerschneiden, können sie unsere Chiffren nicht lesen. Es ist etwas ganz Neues. Diese Chiffren haben keine Vorläufer.«
    Der strebsame Kadett Biegler hustete bedeutungsvoll.
    »Ich erlaube mir«, sagte er, »auf das Buch Kerickhoffs über das militärische Chiffrierungswesen aufmerksam zu machen, Herr Hauptmann. Dieses Buch kann sich ein jeder im Verlag des ›Militärischen Sachlexikons‹ bestellen. Dort ist die Methode beschrieben, von der ich Ihnen erzählt habe, genau beschrieben, Herr Hauptmann. Ihr Erfinder ist Oberst Kircher, der unter Napoleon I. in der sächsischen Armee gedient hat. ›Kirchers chiffrierte Worte‹, Herr Hauptmann. Jedes Wort der Depesche wird auf der gegenüberliegenden Seite mittels Schlüssel erklärt. Diese Methode wurde von Oberleutnant Fleißner in dem Buch ›Handbuch der militärischen Kryptographie‹ vervollständigt, das sich jeder im Verlag der ›Militär-Akademie in Wiener-Neustadt‹ kaufen kann. Bitte, Herr Hauptmann.« Kadett Biegler griff in seinen Handkoffer, zog das Buch heraus, von dem er gesprochen hatte, und fuhr fort: »Fleißner führt dasselbe Beispiel an, überzeugen Sie sich gefälligst alle. Dasselbe Beispiel, das wir gehört haben.
    Depesche: Auf Kote 228 Maschinengewehrfeuer links.
    Schlüssel: Ludwig Ganghofer, ›Die Sünden der Väter‹, Zweiter Band.
    |493| Und sehen Sie, bitte, weiter: ›Chiffre: Sache – mit – uns. – das – wir – auf – sehen – in – die – versprachen – die – Martha –‹ usw. Genau dasselbe, was wir vor einer Weile gehört haben.«
    Dagegen ließ sich nichts einwenden. Dieser Rotzbub von einem »Storchenflügel mit Fischschwanz« hatte recht.
    Beim Armeestab hatte sich jemand von den Herren Generälen die Arbeit erleichtert. Er hatte Fleißners Buch über die militärische Chiffrierung entdeckt, und fertig wars.
    Während dieser ganzen Zeit konnte man bemerken, daß Oberleutnant Lukasch eine seltsame seelische Aufregung bezwang. Er biß sich in die Lippe, wollte etwas sagen, aber zum Schluß fing er von etwas anderem zu sprechen an, als er anfangs beabsichtigt hatte.
    »Man darf das nicht so tragisch nehmen«, sagte er in sonderbarer Verlegenheit, »während unseres Aufenthaltes im Lager in Brück an der Leitha hat man schon einige Systeme der Depeschenchiffrierung verwendet. Bevor wir an die Front kommen, wird es wieder neue Systeme geben, aber ich denke, daß man im Feld keine Zeit hat, solche Kryptogramme zu entziffern. Bevor jemand von uns ein ähnlich chiffriertes Beispiel entziffern würde, wärs schon längst um die Kompanie, ums Bataillon und die Brigade geschehn. Eine praktische Bedeutung hat es nicht.«
    Hauptmann Sagner nickte sehr ungern zustimmend mit dem Kopf. »In der Praxis«, sagte er, »wenigstens sofern meine Erfahrungen vom serbischen Kriegsschauplatz in Betracht kommen, hat niemand Zeit gehabt, Chiffren zu dechiffrieren. Ich sage nicht, daß die Chiffren bei einem längeren Aufenthalt in den Schützengräben keine Bedeutung haben, wenn wir uns eingegraben haben und abwarten. Daß die Chiffren sich ändern, ist auch wahr.«
    Hauptmann Sagner wich auf der ganzen Linie zurück: »Ein großer Teil der Schuld, daß heute die Stäbe an der Front immer weniger Chiffren benützen, liegt daran, daß unsere Telefone nicht deutlich sind und insbesondere im Kanonenfeuer die einzelnen Silben nicht klar reproduzieren. Man hört einfach nichts, und so entsteht ein unnützes Chaos.«
    |494| Er verstummte.
    »Verwirrung ist das ärgste, was im Feld eintreten kann, meine Herren«, fügte er prophetisch hinzu und schwieg.
    »In einer Weile«, sagte er, aus dem Fenster blickend, »sind wir in Raab, meine Herren! Die Mannschaft erhält dort je fünfzehn Deka ungarische Salami. Eine halbe Stunde Rast.«
    Er schaute auf die Marschroute: »Um vier Uhr zwölf wird abgefahren. Um drei Uhr achtundfünfzig alles in die Waggons. Es wird kompanieweise ausgestiegen. Die 11. usw. zugsweise Direktion Verpflegungsmagazin Nummer 6, Kontrolle bei der Ausgabe: Kadett Biegler.«
    Alle schauten den Kadetten Biegler mit einem Blick an, der besagte: Du wirst kein Honiglecken haben, du Milchbart.
    Aber der strebsame Kadett Biegler zog schon aus dem Koffer einen Bogen Papier und ein Lineal, liniierte den Bogen, teilte ihn in Marschkompanien ein und fragte die Kommandanten der einzelnen

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