Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Biegler nicht gewissermaßen ersetzt hätte.
Leutnant Dub war in Zivil Tschechisch-Professor und hatte bereits damals eine ungewöhnliche Neigung bekundet, überall, wo dies nur möglich war, seine Loyalität an den Tag zu legen. Als schriftliche Arbeiten legte er seinen Schülern Themen aus der Geschichte des Hauses Habsburg vor. In den niedrigeren Klassen schreckte die Schüler Kaiser Maximilian, der auf einen Felsen kroch und nicht hinunterklettern konnte, Joseph II. als Pflüger und Ferdinand der Gute. In den höheren Klassen waren die Themen allerdings komplizierter, wie zum Beispiel das Thema für die Septima: »Kaiser Franz Joseph I. als Förderer der Wissenschaften und der Kunst«, eine Arbeit, die den Ausschluß eines Septimaners aus sämtlichen Mittelschulen der österreichisch-ungarischen Monarchie zur Folge hatte; er hatte nämlich geschrieben, daß die schönste Tat dieses Monarchen die Gründung der Kaiser-Franz-Josephs-Brücke in Prag gewesen sei.
|544| Dub achtete stets darauf, daß alle seine Schüler am Geburtstag des Kaisers und an ähnlichen Kaiserfeiern mit Begeisterung die Volkshymne sangen. In Gesellschaft war er unbeliebt, weil feststand, daß er ein Denunziant seiner Kollegen war. In der Stadt, wo er unterrichtete, war er Mitglied eines Kleeblatts der größten Dummköpfe und Esel, das aus ihm, dem Bezirkshauptmann und dem Direktor des Gymnasiums bestand. In diesem engen Kreis lernte er im Rahmen der österreichischungarischen Monarchie politisieren. Auch jetzt begann er mit der Stimme und dem Ton eines verknöcherten Professors seine Anschauungen darzulegen.
»Alles in allem hat mich das Verhalten Italiens nicht im geringsten überrascht. Ich habe es schon vor drei Monaten erwartet. Es steht fest, daß Italien in der letzten Zeit infolge des siegreichen Krieges mit der Türkei um Tripolis bedeutend stolzer geworden ist. Außerdem verläßt es sich zu sehr auf seine Flotte und auf die Stimmung der Bevölkerung in unseren Küstenländern und in Südtirol. Noch vor dem Krieg habe ich mit unserem Bezirkshauptmann darüber gesprochen, daß unsere Regierung die irredentistische Bewegung im Süden nicht unterschätzen sollte. Er hat mir auch vollkommen recht gegeben, weil jeder scharfsinnige Mensch, dem an der Erhaltung unseres Reiches gelegen ist, schon längst voraussetzen mußte, wohin wir es mit der allzu großen Nachsicht gegen solche Elemente bringen würden. Ich erinnere mich deutlich, etwa vor zwei Jahren in einem Gespräch mit dem Bezirkshauptmann erklärt zu haben, daß Italien – es war in der Zeit des Balkankrieges während der Affäre unseres Konsuls Prochazka – auf die nächste Gelegenheit wartet, um uns meuchlings anzufallen.
Und da haben wirs!« schrie er mit einer Stimme, als ob alle mit ihm stritten, obwohl sich sämtliche anwesenden aktiven Offiziere bei seiner Rede dachten, daß ihnen dieser quasselnde Zivilist auf den Buckel steigen möge.
»Wahr ist«, fuhr er in gemäßigterem Tone fort, »daß man in der Mehrzahl der Fälle sogar in den Schulaufgaben unser früheres Verhältnis zu Italien vergaß, jene großen Tage der glorreichen siegreichen Armeen sowohl des Jahres 1848 als |545| auch des Jahres 1866, von denen in den heutigen Brigadebefehlen die Rede ist. Ich habe immer meine Pflicht erfüllt und noch vor Schluß des Schuljahrs, knapp vor Kriegsbeginn, meinen Schülern die Stilaufgabe gegeben: ›Unsere Helden in Italien von Vicenza bis Custozza oder …‹«
Und der blöde Leutnant Dub fügte feierlich hinzu: »… Blut und Leben für Habsburg! Für ein Österreich, ganz, einig und groß!«
Er schwieg und wartete offenbar, daß die übrigen Insassen des Stabswaggons ebenfalls von der neuen Situation sprechen würden, worauf er ihnen nochmals bewiesen hätte, daß er bereits vor fünf Jahren Italiens Verhalten dessen Verbündeten gegenüber vorausgeahnt habe. Er täuschte sich jedoch ganz und gar, denn Hauptmann Sagner, dem Ordonnanz Matuschitz vom Bahnhof die Abendausgabe des »Pester Lloyd« brachte, sagte, in die Zeitung blickend: »Da schau her, diese Weiner, die wir in Brück als Gast gesehn haben, hat hier gestern auf der Bühne des Kleinen Theaters gespielt.«
Damit war im Stabswaggon die Debatte über Italien beendet.
Bataillonsordonnanz Matuschitz und Batzer, der Diener Hauptmann Sagners, die rückwärts saßen, betrachteten den Krieg mit Italien von einem rein praktischen Standpunkt, denn vor vielen Jahren, noch während ihrer aktiven Dienstzeit,
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