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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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Mannschaft wieder aus den Waggons entlassen. Knapp vor Abfahrt des Zuges stieg Leutnant Dub sehr aufgeregt in den Stabswaggon und verlangte von Hauptmann Sagner, er möge Schwejk unverzüglich einsperren lassen. Leutnant |550| Dub, ein alter bekannter Denunziant in seinem Wirkungskreis als Gymnasialprofessor, knüpfte gern Gespräche mit Soldaten an, um ihre Überzeugung zu erforschen, und gleichzeitig suchte er die Gelegenheit, sie zu belehren und aufzuklären, warum sie kämpften, wofür sie kämpften.
    Bei seinem Rundgang hatte er hinter dem Bahnhofsgebäude bei einer Laterne Schwejk stehen gesehen, wie er mit Interesse das Plakat irgendeiner Kriegslotterie betrachtete. Dieses Plakat stellte einen österreichischen Soldaten dar, wie er einen entsetzten bärtigen Kosaken an eine Mauer bohrte.
    Leutnant Dub klopfte Schwejk auf die Schulter und fragte ihn, wie ihm das gefalle.
    »Melde gehorsamst, Herr Lajtnant«, antwortete Schwejk, »daß das ein Blödsinn is. Ich hab schon viel blöde Plakate gesehn, aber so was Blödes hab ich noch nie gesehn.«
    »Was gefällt Ihnen denn dran nicht?« fragte Leutnant Dub.
    »Was mir an dem Plakat nicht gefällt, Herr Lajtnant, is, wie der Soldat mit den ihm anvertrauten Waffen umgeht, er kann doch das Bajonett an der Mauer zerbrechen, und dann is das Ganze doch überhaupt überflüssig, er möcht dafür gestraft wern, weil der Russe die Hände oben hat und sich ergibt. Er is ein Gefangener, und mit Gefangenen muß man anständig umgehn, denn das nützt nichts, es sind doch auch Menschen.«
    Leutnant Dub fuhr also fort, Schwejks Gesinnung zu erforschen, und fragte ihn: »Ihnen tut also dieser Russe leid, nicht wahr?«
    »Mir tun beide leid, Herr Lajtnant, der Russe, weil er durchgebohrt is, und auch der Soldat, weil er dafür eingesperrt wern wird. Er hat doch das Bajonett dabei zerbrechen müssen, Herr Lajtnant, das nützt nichts, es sieht ja aus wie eine steinerne Wand, wo er das hineinbohrt, und Stahl is zerbrechlich. Da hamr Ihnen mal, Herr Lajtnant, noch vorn Krieg, in der aktiven Dienstzeit, einen Herrn Lajtnant bei der Kompanie gehabt. Nicht mal ein alter Kommißknopf hat sich so ausdrücken können wie der Herr Lajtnant. Aufn Exerzierplatz hat er uns gesagt: ›Wenn Habtacht is, so mußt du die Augen herauswälzen, wie wenn ein Kater ins Futter scheißt.‹ Aber sonst war |551| er ein sehr braver Mensch. Einmal Weihnachten is er verrückt worn, hat für die Kompanie einen ganzen Wagen Kokosnüsse gekauft, und seit der Zeit weiß ich, wie zerbrechlich Bajonette sind. Die halbe Kompanie hat sich an diesen Kokosnüssen die Bajonette zerbrochen, und unser Oberlajtnant hat die ganze Kompanie einsperren lassen, drei Monate hamr nicht aus der Kaserne dürfen, der Herr Lajtnant hat Hausarrest gehabt …«
    Leutnant Dub schaute ärgerlich in das arglose Gesicht des braven Soldaten Schwejk und fragte ihn zornig: »Kennen Sie mich?«.
    »Ich kenn Sie, Herr Lajtnant.«
    Leutnant Dub rollte die Augen und stampfte mit den Füßen. »Ich sag Ihnen, daß Sie mich noch nicht kennen.«
    Schwejk antwortete wiederum mit ahnungsloser Ruhe, als melde er einen Rapport: »Ich kenn Sie doch, Herr Lajtnant, Sie sind, melde gehorsamst, von unserm Marschbataillon.«
    »Sie kennen mich noch nicht!« schrie Leutnant Dub abermals. »Sie kennen mich vielleicht von der guten Seite, aber bis Sie mich von der schlechten kennenlernen werden: Ich bin bös, Sie werden sich wundern, ich bringe jeden zum Weinen. Also kennen Sie mich, oder kennen Sie mich nicht?«
    »Ich kenn Sie, Herr Lajtnant.«
    »Ich sag Ihnen zum letztenmal, daß Sie mich nicht kennen, Sie Esel. Haben Sie Brüder?«
    »Melde gehorsamst, Herr Lajtnant, ich hab einen.«
    Leutnant Dub geriet beim Anblick des ruhigen, arglosen Gesichtes Schwejks in schreckliche Wut und rief, ohne sich länger beherrschen zu können: »Da wird Ihr Bruder auch so ein Rindvieh sein wie Sie. Was war er denn.«
    »Professor, Herr Lajtnant. Er war auch beim Militär und hat die Offiziersprüfung abgelegt.«
    Leutnant Dub schaute Schwejk an, als wollte er ihn durchbohren. Schwejk ertrug mit würdevoller Gemessenheit den bösen Blick Leutnant Dubs, worauf das ganze Gespräch zwischen ihm und dem Leutnant vorläufig mit dem Wort »Abtre ten !« endete.
    Jeder ging also seines Weges, und jeder dachte sich das seine.
    |552| Leutnant Dub dachte, daß er den Herrn Hauptmann veranlassen werde, Schwejk einsperren zu lassen, und Schwejk wiederum dachte, daß er schon viele

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