Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Schwejk Baloun auf die andere Seite des Militärbahnhofs. Dabei tröstete er ihn, daß sie gemeinsam in die Stadt gehn und dem Herrn Oberleutnant Debrecziner Würstchen bringen würden, der Begriff einer Wurstspezialität, die bei Schwejk naturgemäß mit dem Begriff der Hauptstadt des Königreichs Ungarn verschmolz.
»Der Zug könnt uns davonfahren«, jammerte Baloun, dessen Geiz ebenso groß war wie seine Gefräßigkeit.
»Wenn man an die Front fährt«, erklärte Schwejk, »versäumt man nie was, weil sichs jeder Zug, was an die Front fährt, sehr gut überlegt, auf die Endstation nur einen halben Marschbatjak zu bringen. Übrigens versteh ich dich sehr gut, Baloun. Hast eine zugenähte Tasche.«
Sie gingen aber nirgends hin, denn das Signal zum Einsteigen ertönte. Die Mannschaft der einzelnen Züge kehrte mit leeren Händen vom Verpflegungsmagazin wieder zu ihren Waggons zurück. Statt der fünfzehn Deka Emmentaler Käse, die hier ausgegeben werden sollten, hatte jeder je eine Schachtel Streichhölzer und eine Ansichtskarte erhalten, die von dem Komitee für Kriegsgräber (Wien IX, Canisiusgasse 4) herausgegeben wurde. Statt fünfzehn Deka Emmentaler hielt jeder den westgalizischen Soldatenfriedhof in Sedlisk mit einem Denkmal der unglücklichen Landwehrmänner in der Hand, das der Tachinierer-Bildhauer, Einjährigfreiwilliger-Feldwebel Scholz, angefertigt hatte.
Beim Stabswaggon herrschte ebenfalls eine ungewöhnliche Erregung. Die Offiziere des Marschbataillons versammelten sich um Hauptmann Sagner, der ihnen aufgeregt etwas auseinandersetzte. Er war gerade vom Bahnhofskommando zurückgekommen und hielt in der Hand ein streng vertrauliches echtes Telegramm des Brigadestabs mit ellenlangen Instruktionen und Winken, wie man sich in der neuen Situation, in der |538| sich Österreich mit dem 23. Mai 1915 befand, zu verhalten habe.
Die Brigade telegrafierte, daß Italien Österreich-Ungarn den Krieg erklärt habe.
Noch in Bruck an der Leitha hatte man im Offizierskasino häufig beim Mittagstisch und Nachtmahl mit vollem Mund von dem sonderbaren Vorgehen und Verhalten Italiens gesprochen, aber alles in allem hatte niemand erwartet, daß sich die prophetischen Worte des Idioten Kadetten Biegler erfüllen würden, der einmal beim Nachtmahl die Makkaroni beiseite geschoben und erklärt hatte: »An denen werde ich mich erst vor den Toren Veronas satt essen.«
Nachdem Hauptmann Sagner die soeben von der Brigade eingetroffenen Instruktionen studiert hatte, ließ er Alarm blasen.
Als die ganze Mannschaft des Marschbataillons versammelt war, wurde sie im Karree aufgestellt, und Hauptmann Sagner verlas mit ungewöhnlich erhobener Stimme den ihm telegrafisch zugestellten Brigadebefehl:
»Von beispiellosem Verrat und maßloser Habgier verführt, hat der italienische König die brüderlichen Bande vergessen, die ihn zu einem Verbündeten unserer Monarchie machten. Seit Ausbruch des Krieges, in dem er sich unseren tapferen Truppen hätte zur Seite stellen sollen, spielte der verräterische italienische König die Rolle eines maskierten Meuchlers; während seines zweideutigen Verhaltens pflegte er geheime Unterhandlungen mit unseren Feinden, ein Verrat, der in der Nacht vom 22. auf den 23. Mai in der Kriegserklärung an unsere Monarchie gipfelte. Unser allerhöchster Kriegsherr ist überzeugt, daß unsere stets tapferen und glorreichen Truppen auf den nichtswürdigen Verrat des treulosen Feindes mit einem Schlag antworten werden, der den Verräter zu der Erkenntnis bringen wird, daß er sich durch das schändliche und verräterische Eingreifen in diesen Krieg selbst vernichtet hat. Wir hegen die feste Zuversicht, daß mit Gottes Hilfe bald der Tag anbrechen wird, an dem die italienischen Ebenen wieder die Sieger von Santa Lucia, Vicenza, Novara, Custoza sehen werden. |539| Wir wollen siegen, müssen siegen und werden bestimmt siegen!«
Dann folgte das übliche dreimalige »Hoch!«, und die Soldaten setzten sich wieder, einigermaßen bestürzt, in den Zug. Statt fünfzehn Deka Emmentaler hatten sie den Krieg mit Italien in der Tasche.
In dem Waggon, wo Schwejk, Feldwebel Wanĕk, Telefonist Chodounsky, Baloun und Koch Jurajda saßen, entspann sich ein interessantes Gespräch über das Eingreifen Italiens in den Krieg.
»In der Taborgasse in Prag war auch so ein Fall«, begann Schwejk, »dort war ein gewisser Kaufmann Hořejší. Ein Stückl weiter von ihm, grad gegenüber, hat der Kaufmann Poschmourny seinen Laden
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