Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
dumme Offiziere gesehen habe, aber daß so einer wie Leutnant Dub doch nur eine Seltenheit beim Regiment war.
Leutnant Dub, der sich gerade heute vorgenommen hatte, die Soldaten zu erziehen, fand hinter dem Bahnhof ein neues Opfer. Es waren zwei Soldaten vom Regiment, aber von einer andern Kompanie; sie verhandelten im Dunkeln in gebrochenem Deutsch mit zwei Straßenmädchen, die sich zu Dutzenden um den Bahnhof herumtrieben.
Der sich entfernende Schwejk vernahm noch ganz deutlich die scharfe Stimme Leutnant Dubs: »Kennen Sie mich!?«
»Aber ich sage euch, daß ihr mich nicht kennt!«
»Aber bis ihr mich kennenlernen werdet!«
»Ihr kennt mich vielleicht von der guten Seite!«
»Ich sage euch, bis ihr mich von der schlechten Seite kennenlernen werdet!«
»Ich werde euch zum Weinen bringen, ihr Esel!«
»Habt ihr Brüder?«
»Das werden auch Rindviecher sein wie ihr! – Was waren sie? – Beim Train? – Also gut. – Denkt daran, daß ihr Soldaten seid. – Seid ihr Tschechen? – Wißt ihr, daß Palacký gesagt hat, wenn es kein Österreich geben würde, müßten wir eins schaffen? – Abtreten!«
Der Rundgang Leutnant Dubs hatte jedoch alles in allem kein positives Ergebnis. Er hielt noch etwa drei Soldatengruppen an, aber seine erzieherischen Bestrebungen, »zum Weinen zu bringen«, scheiterten vollständig. Das Material, das ins Feld geschleppt wurde, war so beschaffen, daß Leutnant Dub aus den Augen jedes einzelnen herausfühlte, daß ein jeder etwas sehr Unangenehmes über ihn dachte. Er war in seinem Stolz verletzt, und das Resultat war, daß er vor Abfahrt des Zuges im Stabswaggon von Hauptmann Sagner verlangte, er möge Schwejk einsperren lassen. Er begründete die Notwendigkeit einer Isolierung des braven Soldaten Schwejk mit dessen sonderbarem, frechem Auftreten, wobei er die aufrichtigen Antworten |553| Schwejks auf seine letzte Frage »boshafte Bemerkungen« nannte. Sollte es so weitergehn, würde das Offizierskorps in den Augen der Mannschaft alle Würde verlieren, woran gewiß niemand von den Herren Offizieren zweifle. Er selbst habe noch vor dem Krieg mit dem Herrn Bezirkshauptmann davon gesprochen, daß jeder Vorgesetzte trachten müsse, seinen Untergebenen gegenüber eine gewisse Autorität zu bewahren. Der Herr Bezirkshauptmann wäre gleichfalls dieser Meinung gewesen. Insbesondere jetzt im Krieg, je näher man dem Feinde komme, sei es notwendig, die Soldaten in einem gewissen Schrecken zu erhalten. Deshalb verlange er also, daß Schwejk disziplinarisch bestraft werde.
Hauptmann Sagner, der als aktiver Offizier alle diese Reserveoffiziere aus den verschiedenen Zivilbranchen haßte, machte Leutnant Dub darauf aufmerksam, daß ähnliche Anzeigen nur in Form eines Rapports zu erstatten seien und nicht auf eine solche wunderbare Hökerart, wie wenn man um den Preis von Kartoffeln feilsche. Soweit es sich um Schwejk selbst handle, sei die erste Instanz, deren Rechtskraft Schwejk unterstehe, Herr Oberleutnant Lukasch. So eine Sache erledige man nur beim Rapport. Von der Kompanie gehe so eine Sache zum Bataillon, das sei dem Herrn Leutnant vielleicht bekannt. Wenn Schwejk etwas angestellt habe, so werde er vor den Kompanierapport kommen und, falls er Berufung einbringen sollte, zum Bataillonsrapport. Wenn Herr Oberleutnant Lukasch dies wünsche und die Erzählung des Herrn Leutnant Dub für eine offizielle Anzeige halte, habe er nichts dagegen, daß Schwejk vorgeführt und verhört werde.
Oberleutnant Lukasch wandte nichts dagegen ein; er bemerkte nur, daß er selbst aus Schwejks Erzählung sehr gut wisse, daß Schwejks Bruder tatsächlich Professor und Reserveoffizier sei.
Leutnant Dub schwankte und sagte, er habe nur eine Bestrafung in weiterem Sinne verlangt, es könne sein, daß sich der bewußte Schwejk nicht recht auszudrücken verstehe und seine Antworten deshalb den Eindruck von Frechheit, Boshaftigkeit und Mißachtung des Vorgesetzten erwecken. Abgesehen davon |554| sei aus dem ganzen Gehaben des bewußten Schwejk ersichtlich, daß er von schwachem Verstande sei.
Damit verzog sich das ganze Gewitter über Schwejks Haupt, ohne daß der Blitz eingeschlagen hätte.
In dem Waggon, wo sich die Kanzlei und das Magazin des Bataillons befanden, schenkte Bautanzel, Rechnungsfeldwebel des Marschbataillons, zwei Bataillonsschreibern mit großer Herablassung je eine Handvoll Pastillen aus den Schachteln, die für das ganze Bataillon bestimmt waren. Es war eine alltägliche Erscheinung, daß
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