Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Telefoniert aus seiner Gruft an den Stab: ›Ich sterbe und gratuliere meinem Bataillon zum Sieg!‹« sagte der Einjährigfreiwillige.
»Das muß dir genügen«, sagte Schwejk, »oder willst du noch was hinzufügen? Erinnerst du dich an den Telefonisten von der Titanic, der was, wie das Schiff schon gesunken is, fort herunter in die überschwemmte Küche telefoniert hat, wann schon das Mittagmahl sein wird?«
»Mir solls nicht drauf ankommen«, sagte der Einjährigfreiwillige, »der Ausspruch Chodounskys vor dem Tode kann eventuell dadurch ergänzt werden, daß er zum Schluß ins Telefon ruft: ›Grüßt mir unsere Eiserne Brigade.‹«
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Marschieren, marsch!
Als man in Sanok anlangte, zeigte es sich, daß man eigentlich in dem Waggon mit der Feldküche der 11. Kompanie, wo der satte Baloun vor Wonne furzte, im großen ganzen recht gehabt hatte; es sollte tatsächlich ein Nachtmahl und außer dem Nachtmahl sogar irgendein Kommißbrot ausgegeben werden, als Ersatz für all die Tage, an denen das Bataillon nichts erhalten hatte. Als man aus den Waggons kletterte, zeigte es sich, daß sich in Sanok auch der Stab der »Eisernen Brigade« befand, zu der das Bataillon des 91. Regiments seinem Taufschein nach gehörte. Obwohl die Eisenbahnverbindung von Sanok bis Lemberg und auch nördlich davon bis an die Grenze unversehrt geblieben war, blieb es eigentlich ein Rätsel, warum der Stab des östlichen Frontabschnittes die Disposition getroffen hatte, die »Eiserne Brigade« solle mit ihrem Stab die Marschbataillone hundertfünfzig Kilometer hinter der Front konzentrieren, während zur nämlichen Zeit die Front von Brod zum Bug und längs des Flusses bis nördlich nach Sokal reichte.
Diese ungemein interessante strategische Frage wurde auf äußerst einfache Art gelöst, als Hauptmann Sagner in Sanok zum Brigadestab ging, um das Eintreffen des Marschbataillons zu melden.
Ordonnanzoffizier war Brigadeadjutant Hauptmann Tayrle.
»Ich bin sehr überrascht«, sagte Hauptmann Tayrle, »daß ihr keine bestimmten Meldungen erhalten habt. Die Marschroute steht fest. Eure Vormarschlinie hättet ihr uns natürlich im voraus melden sollen. Nach den Dispositionen des Oberkommandos seid
ihr um zwei Tage zu früh eingetroffen
.«
Hauptmann Sagner errötete ein wenig, doch fiel es ihm nicht ein, alle Chiffre-Telegramme zu wiederholen, die er während des ganzen Transportes erhalten hatte.
»Ich wunder mich über Sie«, sagte Adjutant Tayrle.
»Ich glaube«, entgegnete Hauptmann Sagner, »daß wir Offiziere uns alle duzen.«
|649| »Meinetwegen«, sagte Hauptmann Tayrle, »sag mir, bist du Aktiver oder Zivilist? Aktiv? – Das ist ganz was anderes. – Man kennt sich drin nicht aus. Hier sind dir schon solche Trottel von Reserveleutnants durchgekommen! – Wie wir uns von Limanow und von Krasnik zurückgezogen haben, haben alle diese ›Auch-Leutnants‹ den Kopf verloren, sobald sie nur eine Kosakenpatrouille gesehen haben. Wir vom Stab haben solche Schmarotzer nicht gern. So ein blöder Kerl mit dem Intelligenzknopf läßt sich zum Schluß noch aktivieren oder macht in Zivil die Offiziersprüfung und bleibt weiter ein blöder Zivilist, und wenns Krieg gibt, wird ein Leutnant aus ihm, aber ein Scheißkerl!«
Hauptmann Tayrle spuckte aus und klopfte Hauptmann Sagner vertraulich auf die Schulter.
»Ihr werdet ungefähr zwei Tage hierbleiben. Ich werde euch alle ausführen, wir werden ein bißl tanzen. Wir haben hier Huren wie Engerln. Dann ist eine Generalstochter da, die früher der lesbischen Liebe gehuldigt hat. Da ziehn wir uns alle Frauenkleider an, und du wirst sehn, was die trifft! Das ist dir so eine magere Sau, nicht vorzustellen! Aber sie kennt sich aus, Kamerad. Das ist dir ein Luder – übrigens, du wirst ja sehn.
Pardon«, fuhr er zusammen, »ich muß wieder kotzen gehn, heut schon zum drittenmal.«
Als er zurückkam, erklärte er Hauptmann Sagner, um ihm zu beweisen, wie lustig es hier zugehe, daß dies die Folgen des gestrigen Abends seien, an dem auch die Pionierabteilung teilgenommen habe.
Den Kommandanten dieser Abteilung, der gleichfalls den Rang eines Hauptmanns bekleidete, lernte Hauptmann Sagner recht bald kennen. In die Kanzlei stürzte nämlich ein uniformierter langer Mensch mit drei goldenen Sternen und redete Tayrle gewissermaßen wie im Halbtraum ganz familiär an, ohne die Anwesenheit Hauptmann Sagners zu bemerken: »Was machst du, du Sau? Du hast uns gestern unsere Gräfin gut
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