Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
lauten: Frau Kunert.«
Als er den Zettel nach einer Weile Schwejk zeigte, meinte dieser, Kunert möge ihn nur recht gut aufbewahren, solche Dokumente militärischer Persönlichkeiten müsse ein jeder in Ehren halten. Früher, im aktiven Dienst, habe es so was nicht gegeben, daß ein Offizier mit seinem Burschen korrespondiert oder ihn gar Herr tituliert hätte.
Als die Vorbereitungen zum Aufbruch gemäß den ausgegebenen Dispositionen beendet waren, ließ der Brigadekommandant, den der Hannoveranische Oberst so gut hinausgehetzt hatte, das ganze Bataillon in dem üblichen Karree zusammentreten und hielt eine Ansprache. Der Mann redete nämlich überaus gern; er warf Kraut und Rüben durcheinander, und als er nichts mehr zu sagen hatte, erinnerte er sich noch an die Feldpost.
»Soldaten!« donnerte es aus seinem Mund in das Karree, »jetzt nähern wir uns der Front des Feindes, von dem uns einige Tagesmärsche trennen. Soldaten! Bisher habt ihr auf eurem |659| Marsch keine Gelegenheit gehabt, euren Lieben, die ihr verlassen habt, eure Adressen anzugeben, damit eure Lieben wissen, wohin sie euch schreiben sollen, damit ihr euch an den Briefen eurer lieben Hinterbliebenen erfreut.«
Er konnte sich irgendwie nicht draus hinauswinden und wiederholte unzähligemal hintereinander: »Eure Lieben – eure Verwandten, eure lieben Hinterbliebenen« usw., bis er schließlich diesen Kreis mit dem mächtigen Ruf sprengte: »Dazu haben wir die Feldpost an der Front.«
Seine weitere Rede erweckte den Anschein, als sollten sich all diese Menschen in grauer Uniform einzig und allein deshalb mit der größten Freude erschlagen lassen, weil es an der Front die Einrichtung der Feldpost gab, und als sei es für einen, dem eine Granate beide Beine abreiße, eine Lust zu sterben, wenn er daran denke, daß seine Feldpost die Nummer 72 habe, bei der vielleicht ein Brief seiner lieben Daheimgebliebenen samt einer Sendung, bestehend aus einem Stück Selchfleisch, Speck und hausgemachtem Zwieback, liege.
Dann, nach dieser Rede, als die Brigadekapelle die Volkshymne gespielt hatte und Hochrufe auf den Kaiser ausgebracht worden waren, traten die einzelnen Gruppen dieses menschlichen, für die Schlachtbänke irgendwo hinter dem Bug bestimmten Viehs, eine nach der andern, den erteilten Dispositionen gemäß, den Marsch an.
Die 11. Kompanie marschierte um halb sechs Uhr auf Turowa-Wolska. Schwejk watschelte ganz hinten mit dem Kompaniestab und der Sanität, und Oberleutnant Lukasch ritt ständig die ganze Kolonne ab, wobei er jeden Augenblick nach rückwärts kam, teils um sich vom Zustand Leutnant Dubs zu überzeugen, der in einem Wägelchen unter Segeltuch neuen Heldentaten in einer unbekannten Zukunft entgegenfuhr, teils um sich den Weg durch Gespräche mit Schwejk zu verkürzen, der geduldig seinen Rucksack und sein Gewehr schleppte und mit Feldwebel Wanĕk davon sprach, wie man vor Jahren auf den Manövern bei Groß-Meseritsch so angenehm marschiert sei.
»Das war akkurat so eine Gegend wie hier, nur daß wir nicht so feldmäßig gegangen sind, weil wir damals noch nicht mal |660| gewußt ham, was Reservekonserven sind; wenn wir eine Konserve gefaßt ham, hamr sie bei unserm Zug gleich beim nächsten Nachtlager aufgefressen und ham uns dafür einen Ziegel in den Rucksack gesteckt. In einem Dorf is Inspizierung gekommen, man hat uns alle Ziegel ausn Rucksack geworfen, und es waren ihrer so viel, daß sich dann dort draus jemand ein Familienhaus gebaut hat.«
Eine Weile später marschierte Schwejk stramm neben dem Pferd Oberleutnant Lukaschs und redete über die Feldpost: »Sehr hübsch war die Rede, und es is sicher jedem angenehm, wenn er ins Feld einen hübschen Brief von zu Haus kriegt. Aber ich, wie ich vor Jahren in Budweis gedient hab, hab ich beim Militär nur einen Brief in die Kaserne bekommen, und den hab ich noch aufgehoben.«
Schwejk zog aus einer schmutzigen Ledertasche einen Brief voller Fettflecke hervor, und während er mit dem Pferd Oberleutnant Lukaschs Schritt hielt, der einen mäßigen Trab angeschlagen hatte, las er laut: »Du niederträchtiger Halunke, Du Mörder und Schuft! Korporal Kříž is nach Prag auf Urlaub gekommen, und ich hab mit ihm bei ›Kocan‹ getanzt, und er hat mir erzählt, daß Du herich in Budweis beim ›Grünen Frosch‹ mit irgendeinem blöden Flitscherl tanzt und daß Du mich schon ganz verlassen hast. Daß Dus weißt, ich schreib diesen Brief im Häusl aufn Brett neben dem Loch, zwischen
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