Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Sie, wie ich Ihnen schon oft gesagt hab, die Gewohnheit |694| haben, das Offizierskorps in sonderbarer Weise herabzusetzen.«
»Woher denn«, antwortete Schwejk aufrichtig. »Ich hab Ihnen nur erzähln wolln, Herr Oberlajtnant, wie sich die Leute früher beim Militär selbst ins Unglück gestürzt ham. Nämlich der Mensch hat sich gedacht, daß er gebildeter is wie der Herr Oberlajtnant, er hat ihn mitn Mond in den Augen der Mannschaft erniedrigen wolln, und wie er den irdischen Watschen übers Maul gekriegt hat, so ham Ihnen alle so aufgeatmet, niemanden hats verdrossen, im Gegenteil, alle ham Freude gehabt, daß der Herr Oberlajtnant so einen guten Witz gemacht hat mit dem irdischen Watschen; das nennt man eine Situation retten. Es muß einem gleich was einfalln, und schon is gut. Gegenüber den Karmelitern in Prag, Herr Oberlajtnant, hat ein gewisser Herr Jenom vor Jahren ein Geschäft mit Kaninchen und andern Vögeln gehabt. Der hat sich eine Bekanntschaft mit der Tochter vom Buchbinder Bilek gemacht. Der Herr Bilek hat diese Bekanntschaft nicht leiden wolln und hat auch öffentlich im Wirtshaus erklärt, daß, wenn Herr Jenom um die Hand seiner Tochter anhalten möcht, daß er ihn die Stiegen hinunterwirft, daß es die Welt nicht gesehn hat. Drauf hat der Herr Jenom sich Mut angetrunken und is doch zum Herrn Bilek gegangen, was ihn im Vorzimmer mit einem großen Messer empfangen hat, womit sie den Buchrand beschnitten ham, was ausgesehn hat wie ein Mordwerkzeug. Er hat ihn angebrüllt, was er hier will, und in diesem Augenblick hat Ihnen der Herr Jenom so stark gefurzt, daß die Pendeluhr an der Wand stehngeblieben is. Der Herr Bilek hat zu lachen angefangen, hat ihm gleich die Hand gereicht und war nur lauter: ›Bitte, kommen Sie weiter, Herr Jenom, bitte, setzen Sie sich, am Ende ham Sie sich nicht bemacht – ich bin ja nicht so ein böser Mensch, es is wahr, daß ich Sie hab herauswerfen wolln, aber jetzt seh ich, daß Sie ein ganz angenehmer Herr sind, Sie sind ein Original. Ich bin Buchbinder und hab viele Romane und Geschichten gelesen, aber in keinem Buch hab ich gelesen, daß sich ein Bräutigam so vorstelln möcht.‹ Er hat dabei gelacht, daß er sichn Bauch gehalten hat und hat Ihnen voller Freude gesagt, daß es |695| ihm vorkommt, wie wenn sie sich seit ihrer Geburt kennen möchten, wie wenn sie Brüder wären, er hat ihm gleich eine Zigarre gebracht, hat um Bier und Würstl geschickt, hat die Frau gerufen und hat ihr ihn mit allen Einzelheiten von diesem Furz vorgestellt. Die Frau hat ausgespuckt und is weggegangen. Dann hat er die Tochter gerufen und sagt ihr: ›Dieser Herr is unter den und den Umständen um deine Hand anhalten gekommen.‹ Die Tochter hat gleich zu weinen angefangen und hat erklärt, daß sie ihn nicht kennt, daß sie ihn nicht mal sehn will; so is nichts anderes übriggeblieben, wie daß beide das Bier ausgetrunken und die Würstl aufgegessen ham und auseinandergegangen sind. Dann hat der Herr Jenom noch im Wirtshaus Schkandal gehabt, wohin der Herr Bilek immer gegangen is, und zum Schluß hat man ihn überall im ganzen Viertel nicht anders genannt wie ›Der Scheißer Jenom‹ und hat sichs überall erzählt, wie er die Situation hat retten wolln. – Das menschliche Leben, melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, is so kompliziert, daß das bloße Leben von einem einzelnen Menschen dagegen ein Hader is. – Zu uns, ins Wirtshaus ›Zum Kelch‹ aufn Na Bojischti, is vorn Krieg ein Oberpolizist, ein gewisser Herr Hubitschka, gegangen und ein Herr Redakteur, was gebrochene Beine, überfahrene Menschen, Selbstmörder gesammelt und in die Zeitung gegeben hat. Das war Ihnen so ein lustiger Herr, daß er mehr im Polizeiwachzimmer war wie in seiner Redaktion. Der hat mal diesem Herrn Oberpolizisten Hubitschka einen Rausch angehängt, und sie ham sich in der Küche die Kleider ausgewechselt, so daß der Oberpolizist in Zivil war und ausn Herrn Redakteur ein Oberpolizist geworn is, nur die Nummer vom Revolver hat er sich noch zugedeckt und is nach Prag auf Patrouille gegangen. In der Resselgasse, hinter der früheren Sankt-Wenzels-Strafanstalt, hat er in der nächtlichen Stille einen älteren Herrn im Zylinder getroffen, was mit einer älteren Dame in einem Pelzmantel eingehängt gegangen is. Beide ham nach Haus geeilt und ham kein Wort gesprochen. Er is auf sie losgestürzt und hatn Herrn ins Ohr gebrüllt: ›Brülln Sie nicht so, oder ich führ Sie ab!‹ Stelln Sie sich ihren
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