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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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des Mäzens Herrn Grabowsky, der sich in den achtziger Jahren große Verdienste um Przemyśl erworben hatte, andächtig niederkniete.
    Nur das Stampfen der Militärwache mengte sich in seine inbrünstigen Worte: »Richte nicht Deinen Diener, denn kein Mensch wird vor Dir bestehen, so Du ihm nicht läßt Vergebung für alle seine Sünden widerfahren. So sei denn, ich flehe dich an, Dein Richtspruch nicht allzu hart. Deine Hilfe erbitte ich herab, und in Deine Hände befehle ich meine Seele, o Herr.«
    Seit damals machte er einigemal den Versuch, sobald man ihn zu General Fink berief, allen irdischen Freuden zu entsagen, und redete sich dabei mit einem verdorbenen Magen aus; er hielt diese Lüge für notwendig, wenn seiner Seele höllische |732| Martern erspart bleiben sollten, denn er war gleichzeitig der Ansicht, daß die militärische Disziplin es erforderte, daß ein Feldkurat, wenn der General ihm sagte: »Sauf, Kamerad«, schon aus bloßer Achtung vor dem Vorgesetzten saufen müsse.
    Bisweilen gelang ihm dies allerdings nicht, hauptsächlich wenn der General nach feierlichen Gottesdiensten noch feierlichere Fressereien auf Kosten der Garnisonskassa veranstaltete; das Geld wurde dann auf allerhand Art im Kontor zusammengetrommelt, damit man auch was dran verdiene, und der Feldkurat stellte sich dann immer vor, daß er vor dem Antlitz Gottes moralisch verdammt und zu einem zitternden Menschen geworden sei.
    Er ging umher wie im Nebel, und während er in dem Chaos den Glauben an Gott nicht verlor, begann er bereits ganz ernsthaft darüber nachzudenken, ob er sich nicht täglich regelmäßig geißeln sollte.
    In einer ähnlichen Stimmung stellte er sich auch jetzt auf Einladung des Generals ein.
    General Fink ging ihm strahlend und erfreut entgegen. »Ha ben Sie schon«, rief er ihm jubelnd zu, »von meinem Standgericht gehört? Wir werden einen Landsmann von Ihnen hängen.«
    Bei dem Wort »Landsmann« schaute Feldkurat Martinec schmerzerfüllt auf den General. Schon einigemal hatte er die Vermutung zurückgewiesen, ein Tscheche zu sein, und hatte bereits unzähligemal erklärt, daß zu seinem mährischen Pfarrsprengel zwei Gemeinden gehörten, eine tschechische und eine deutsche, und daß er oft an einem Sonntag für die Tschechen und am zweiten für die Deutschen predigen müsse; und da in der tschechischen Gemeinde keine tschechische, sondern nur eine deutsche Schule sei, müsse er in beiden Gemeinden deutsch unterrichten, deshalb sei er kein Tscheche. Diese logische Begründung hatte einmal einem Major bei Tisch Anlaß zu der Bemerkung gegeben, daß der Feldkurat aus Mähren eigentlich eine Gemischtwarenhandlung sei.
    »Pardon«, sagte der General, »ich habe vergessen, es ist nicht Ihr Landsmann. Er ist Tscheche, ein Überläufer, ein Verräter, |733| hat bei den Russen gedient, wird hängen. Inzwischen aber stellen wir der Form zulieb seine Identität fest, das macht nichts, hängen wird er sofort, wie die telegrafische Nachricht eintrifft.«
    Während er den Feldkuraten neben sich auf das Kanapee setzen ließ, fuhr der General lustig fort: »Wenn bei mir ein Standgericht stattfindet, muß alles auch wirklich der Schnelligkeit dieses Gerichtes entsprechen, das ist mein Prinzip. Als ich noch zu Kriegsbeginn hinter Lemberg war, hab ich es zuweg gebracht, daß wir einen Kerl drei Minuten nach Verkündung des Urteils gehängt haben. Das war allerdings ein Jude, aber einen Ruthenen haben wir fünf Minuten nach unserer Beratung gehängt.«
    Der General lachte gutmütig. »Beide haben zufällig keinen geistlichen Trost gebraucht. Der Jude war Rabbiner und der Ruthene Pope. Dieser Fall ist allerdings anders, hier handelt es sich darum, einen Katholiken zu hängen. Um die Sache nicht zu verzögern, bin ich auf den kapitalen Einfall gekommen, daß Sie ihm den geistlichen Trost im voraus erteilen sollen; wie gesagt, damit sich die Sache dann nicht verzögert.«
    Der General klingelte und befahl dem Diener: »Bring zwei von der gestrigen Batterie.«
    Und während er gleich darauf dem Feldkuraten ein Weinglas füllte, sagte er freundlich: »Trösten Sie sich selbst ein bißchen vor der geistlichen Tröstung …«
    Aus dem vergitterten Fenster, hinter dem Schwejk auf dem Kavallett saß, ertönte in dieser schrecklichen Zeit sein Gesang:
    Wir Soldaten, wir sind Herrn,
    Uns ham alle Mädl gern,
    Wir fassen viel Geld,
    Hams gut auf der Welt …
    Za rara … Eins, zwei …

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Die geistliche Tröstung
    Feldkurat Martinec

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