Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
heute vollständig aus dem Gleichgewicht gebracht und verwirrt hatte, »sind alle Menschen aus Karpfen entstanden. Nehmen wir die Entwicklungstheorie Darwins, liebe Freunde …«
Seine weiteren Erwägungen wurden durch den Eintritt des Einjährigfreiwilligen Marek unterbrochen.
»Rette sich, wer kann«, rief Marek. »Leutnant Dub ist vor einer Weile mit einem Automobil beim Bataillonsstab angekommen und hat den beschissenen Kadetten Biegler mitgebracht.
Es ist schrecklich mit ihm«, setzte Marek seine Information fort, »wie er mit ihm aus dem Automobil geklettert ist, ist er in die Kanzlei gestürzt. Ihr wißt, daß ich die Absicht gehabt hab, wie ich von hier gegangen bin, ein Schläfchen zu machen. Ich hab mich also in der Kanzlei auf eine Bank gestreckt und hab grad angefangen einzuschlafen, wie er auf mich zuspringt. Kadett Biegler hat gebrüllt: ›Habt acht!‹ Leutnant Dub hat mich auf die Füße gestellt, und dann hat er losgelegt: ›Da schaun Sie, was, wie ich Sie in der Kanzlei bei Nichterfüllung Ihrer Pflicht überrascht hab! Geschlafen wird erst nach dem Zapfenstreich‹, wozu Biegler hinzufügte: ›Abschnitt 16, § 9 der Kasernenordnung.‹ Dann hat Leutnant Dub mit der Faust auf den Tisch geschlagen und geschrien: ›Vielleicht habt ihr mich beim Bataillon loswerden wollen, glaubt nicht, daß es Gehirnerschütterung war, mein Schädel hält schon was aus.‹ Kadett Biegler hat inzwischen auf dem Tisch geblättert und dabei laut für sich aus einem Schriftstück vorgelesen: ›Divi sionsbefehl Nummer 280!‹ Der Leutnant hat gedacht, daß er sich über ihn wegen des letzten Satzes, daß sein Schädel was aushält, lustig macht, und hat angefangen, ihm sein unwürdiges und freches Verhalten älteren Offizieren gegenüber vorzuhalten, und jetzt führt er ihn her zum Hauptmann, um sich über ihn zu beschweren.«
|779| Kurz darauf kamen die beiden in die Küche, die man passieren mußte, um in das Zimmer zu gelangen, wo das ganze Offizierskorps saß und wo der feiste Fähnrich Maly nach dem Schweinsschlegel eine Arie aus »Traviata« sang, wobei er infolge des Krautes und des fetten Mittagessens rülpste.
Als Leutnant Dub eintrat, rief Schwejk: »Habt acht, alles aufstehn!«
Leutnant Dub trat dicht zu Schwejk, um ihm direkt ins Gesicht zu rufen: »Jetzt freu dich, jetzt ist Schluß mit dir! Ich laß dich zum Andenken fürs 91. Regiment ausstopfen.«
»Zu Befehl, Herr Lajtnant«, salutierte Schwejk, »ich hab mal gelesen, melde gehorsamst, daß es mal eine große Schlacht gab, in der ein schwedischer König mit seinem treuen Pferd gefalln is. Beide Kadaver hat man nach Schweden geschafft, und jetzt stehn die beiden Leichen ausgestopft im Stockholmer Museum.«
»Woher hast du diese Kenntnisse, Kerl«, schrie Leutnant Dub.
»Melde gehorsamst, Herr Lajtnant, von meinem Bruder, was Professor is.«
Leutnant Dub drehte sich um, spuckte aus und schob Kadetten Biegler vor sich hinaus, in der Richtung zum Speisezimmer. Aber er konnte nicht widerstehen, sich noch in der Türe umzudrehen und mit der unerbittlichen Strenge eines Cäsaren, der im Zirkus über das Schicksal verwundeter Gladiatoren entscheidet, eine Gebärde mit dem Daumen der rechten Hand zu machen und Schwejk zuzuschreien: »Daumen herunter!«
»Melde gehorsamst«, schrie ihm Schwejk nach, »ich gib sie schon hinunter.«
Kadett Biegler war wie eine Fliege. Er hatte in der Zwischenzeit einige Cholerastationen passiert und sich mit vollem Recht nach all den Manipulationen, deren man ihn als choleraverdächtig unterzog, daran gewöhnt, unwillkürlich ununterbrochen in die Hose zu machen. Schließlich geriet er in so einer Beobachtungsstation einem Fachmann in die Hände, der |780| in den Exkrementen Bieglers keine Cholerabazillen fand, ihm die Gedärme mit Tannin stählte wie ein Schuster zerrissene Schuhe mit Pechdraht, und ihn zum nächsten Etappenkommando schickte, zumal er Kadett Biegler, der dem Dampf über einem Topfe glich, für »frontdiensttauglich« erklärte.
Es war ein »lieber« Mensch.
Als ihn Kadett Biegler darauf aufmerksam machte, daß er sich sehr schwach fühle, sagte der Arzt mit einem Lächeln: »Die goldene Tapferkeitsmedaille werden Sie noch ertragen. Sie haben sich doch freiwillig zum Militär gemeldet.«
So machte sich Kadett Biegler also auf, um die goldene Tapferkeitsmedaille zu erwerben.
Seine abgehärteten Gedärme schleuderten keine dünne Flüssigkeit mehr in die Hose, aber das häufige Drängen blieb doch
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