Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)
des Tages. Ich war nicht neugierig, nicht zielstrebig, nicht wählerisch, war nicht Jäger, nicht Unternehmer, nicht Schmied. Über Hunde sprachen wir, die Dame und ich, sie gab gern Antwort, ich fragte gern, und dass ich es verstand, kompetent über Hunde zu fragen, nahm sie als Kompliment; mehr erwartete sie nicht, es war mehr, als sie erwartet hatte. Dies schien mir die höchste Kultur des Daseins: nichts zu erwarten, auf nichts zu hoffen, nicht zu bangen; zu betrachten, was einem gefällt, ohne sich von anstrengenden Begehrlichkeiten den Tag versauen zu lassen, die Sorgen so harmlos wie möglich zu halten und Hässlichkeiten so lange zu ignorieren, bis sie sich einem zwischen die Wimpern klemmen, und die Augen sich nicht mehr vor ihnen verschließen lassen. Ich wollte sein: das Gegenbild dessen, in dem zweitausend Teufel steckten – und wäre jeder dieser Teufel ein Genie: Keinen würde ich bitten, des halben Glanzes wegen Glanz und Elend mit mir zu teilen. Ich wollte unnütz sein wie eine Lilie auf dem Felde, die nicht arbeitet und nicht spinnt, und ich brauchte auch nicht schöner gekleidet zu sein als Salomon in seiner Herrlichkeit.
Ich holte Joel Spazierers Pass in der österreichischen Botschaft ab. Meinen Koffer hatte ich bei mir, denn Joel Spazierer fuhr von der Avenue Pierre 1er de Serbie mit dem Taxi gleich weiter zum Flughafen Charles-de-Gaulle. In seiner Ledertasche hatte er ein One Way Ticket nach New York. Als die Maschine ihre Flughöhe erreicht hatte, bat er die Stewardess um etwas zum Schlafen, sie gab ihm zwei Tabletten von den ihren, sagte, er solle lieber erst eine nehmen, er nahm beide, trank einen dreifachen Johnnie Walker und zwei Biere dazu und schlief bis zur Landung am John F. Kennedy Airport, döste durch den Zoll und döste im Taxi auf dem Weg nach Manhattan. In einem Hotel in der Madison Avenue stieg er ab, das hatte ihm der Taxifahrer empfohlen. Er duschte ausgiebig, zog sich etwas Dunkles an und trat mit wackeligen Beinen auf die lärmende Straße. Sein Magen war noch nicht eingerenkt. Es regnete leicht und war kühl. Er wich den schillernden Pfützen aus. Er ging bis zur Grand Central Station. Der Spaziergang tat ihm gut. Seine Haare waren nass, ebenso die Schultern seines Anzugs. Er war hungrig und durstig. Er sah in der Halle des Bahnhofs ein Schild, das zur Oyster Bar wies. Er bestellte einen Fischeintopf, dazu ein Glas Weißwein und Mineralwasser. Er wusste nicht, wie spät es war. Er kam mit einem Mann und einer Frau ins Gespräch, sie amüsierten sich über sein Englisch, er war den beiden sympathisch, sie luden ihn zu einer Party ein. Er fragte, wann Abend sei. Sie lachten und stießen sich in die Seite. Er sah ihnen an, dass sie es für eine Superidee hielten, ihn eingeladen zu haben. Sie gaben ihm ihre Karte. Am Abend war er träge, er hatte sich umgezogen, um bei der Party etwas herzumachen, aber unten in der Hotellobby überlegte er es sich anders, setzte sich in die Bar und betrank sich mit Bourbon und Martini. Er trank, bis er nichts mehr denken konnte und nicht mehr gehen konnte. Der Keeper rief einen Boy, der brachte ihn hinauf in sein Zimmer, half ihm, Jacke und Hose auszuziehen, und wartete geduldig, bis er ein Trinkgeld bekam. Am nächsten Morgen erwachte er um halb fünf. Sein Magen war hohl vor Hunger, ihm war schwindelig. Er spazierte wieder die Madison Avenue hinunter, um die Grand Central Station herum zur 40. Straße und auf der 40. Straße nach Westen zum Times Square. Es war wenig los, die meisten Autos waren gelb. Der Geruch, fand er, war es wert, früh aufzustehen. Immer noch regnete es, aber es war eher ein Zerstäuben als ein Fallen. Eine Frau kam ihm entgegen und fragte, ob er ihr letzter Kunde der Nacht sein wolle. Er war sich nicht sicher, ob er sie verstanden hatte. Er sagte: »The first one I want to be.« Sie verstand ihn nicht. Er sagte: »I want to be the first man in your day.« Sie überlegte und lachte. Er versuchte es auf Spanisch. Sie antwortete ihm spanisch. Er sagte, er würde gern mit ihr frühstücken. Ob er sie zu einem Frühstück einladen dürfe, sie würde ihn sehr glücklich machen. Sie fuhren mit dem Taxi nach Brooklyn. Sie hieß Nina. Er wollte das Taxi bezahlen, sie protestierte. Er drückte dem Fahrer ein Bündel Scheine in die Hand und gab ihm Zeichen loszufahren. Sie zankten sich, bis sie im Haus waren, wie zwei Verliebte zankten sie sich. Es war hübsch bei ihr. Die Sessel hatten großflächige Blumenmuster. Nina lebte mit
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