Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)
zwei Freundinnen zusammen, Elvira und Veta. Sie waren auch gerade erst nach Hause gekommen. Sie legten eine Schallplatte auf. Eine Frauenstimme sang zu elektronisch erzeugten Rhythmen und Klängen:
A man can tell a thousand lies
I’ve learned my lesson well
Hope I live to tell
The secret I have learned, ’till then
It will burn inside of me
Die Frauen deckten den Tisch, Tellerchen, Becherchen, falteten Servietten. Zweimal setzten sie Kaffee auf. Orangensaft gab es aus einem Fünf-Liter-Ballon. Er war sehr durstig. Sie legten sich eine nach der anderen schlafen, und er schlich sich aus dem Haus, das baufällig war und eine Veranda mit eingebrochenen Dielen hatte. Die Gegend war heruntergekommen, er war der einzige auf der Straße, auch in den Nachbarhäusern war niemand zu sehen, Autos fuhren keine, kein Bus fuhr, keine Subway-Station war zu sehen. Er wusste nur, dass er östlich des East River war. Er musste also darauf achten, die Sonne im Rücken zu haben. Aber die Sonne war noch gar nicht richtig da, außerdem war es bewölkt. Er fror. Irgendwann erreichte er eine breite Straße, er setzte sich in einen Bus und fuhr nach Manhattan zurück.
Am nächsten Tag und am übernächsten gewöhnte er sich an einige Wege – hinunter zur Grand Central Station, hinauf zum Central Park, hinüber zur Rockefeller Plaza –, aß im gleichen Restaurant zu Mittag und zu Abend, wurde mit »Joe!« begrüßt, grüßte mit »Max!« zurück, kaufte zweimal im gleichen Deli seine Philip Morris . Am dritten Tag kam er gegen Mittag in der 56. Straße an einem Büro der Air France vorbei. Er trat ein und fragte, wann der nächste Flug nach Paris abgehe, und bekam zur Antwort, in drei Stunden. Ein Angestellter bot sich an, mit ihm zum Hotel zu fahren und seine Sachen abzuholen, er fliege mit derselben Maschine. Er bezahlte das Ticket bar. Zwölf Stunden später war ich wieder im Hôtel Scribe in Paris. Ich drückte Joel Spazierers Pass in die ausgeschabte Vertiefung im Buchdeckel der Österreichisch-Ungarischen Nordpol-Expedition, klebte das Deckblatt darüber, legte mich ins Bett, und als ich aufwachte, war es morgens um halb acht, und ich war hungrig und durstig. In der Konditorei saß Hagen Bertuleit und wartete auf mich. Er sei gestern Nacht von der Bretagne zurückgekehrt, sagte er. Es sei schon sehr spät gewesen. Er habe überlegt, bei mir anzuklopfen und zu fragen, ob wir gemeinsam einen Schlaftrunk nähmen. Aber er sei dann doch zu müde gewesen.
Ich sagte: »Hast du gute Geschäfte eingefädelt?«
Er sagte: »Das wird sich weisen.«
Ich sagte: »Hast du den Mercedes noch?«
»Er steht in der Hotelgarage.«
An diesem Tag fuhren wir – ich am Steuer – aus Paris hinaus und in der Gegend herum. Hagen zahlte. Ich hatte außer Ostmark kein Geld mehr. Es war unser letzter Tag, bevor es zurück in die Heimat ging.
7
These und Frage:
Die Welt besteht größtenteils aus Nichts. Ist sie eher dem Himmel oder eher der Hölle zuzurechnen? (Prof. Ernst-Thälmann Koch)
Diskussion:
– Gott, der Ewige, der Vollkommene, ist verliebt in die Materie. Deshalb, weil sie vergänglich und unvollkommen ist. Die Materie macht ihm seinen Platz nicht streitig. Sie definiert seinen Platz.
– Gott kann sich selbst nur erfahren in Abgrenzung gegen das, was er nicht ist. Er ist nicht die Welt. Darum hat er die Welt erschaffen. Als die Negation seiner selbst.
– Für Gott ist die Welt nicht .
– Für den Menschen aber ist die Welt.
– Deshalb ist für den Menschen Gott nicht . Deshalb hat jener Mensch recht, der sagt: Gott existiert nicht . Ergo hat Johannes Scotus Eriugena recht, wenn er sagt: Gott existiert nicht .
– Gott wühlt gern im Materiellen.
– Gott ist unveränderlich. Die Materie aber ist in ständiger Veränderung begriffen.
– Fleisch unter der Marter verändert sich. Man kann es verändern bis hin zum Tod. Darum hat Gott das Unmögliche möglich gemacht und einen Sohn gezeugt, und zwar allein aus dem Grund, um ihn zu quälen.
– Die einzig mögliche Form eines Gottessohnes ist der Mensch.
– Gott wollte erfahren, wie es ist, die Negation seiner selbst zu sein.
– Der Mensch ist Inhalt und Fülle.
– Inhalt ist immer Materie.
– Gott ist reine Form und Leere.
– Gott lässt sich in Wahrheit nur mathematisch beschreiben. Gott lässt sich als eine Gleichung beschreiben.
– Eine Gleichung aber ist immer tautologisch. Gott sagt: Ich bin, der ich bin.
– Die letzte Reduktion jeder
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