Die Abenteuer des Röde Orm
die Hürde und fanden alles in Ordnung. Da fragte eine dünne Stimme aus dem Dunkel: »Bist du Orm?«
»Nicht gerade der«, sagte Rapp, »aber doch ihm recht ähnlich. Was willst du von ihm?«
Ein Blitz zeigte ihm, daß er den kleinen Knaben aus der Gefolgschaft des Händlers vor sich hatte.
»Ich will wissen, was Orm mir wohl geben würde für seinen Kopf«, sagte der Knabe.
Rapp beugte sich schnell nieder und packte ihn am Arm.
»Mit welch seltsamer Ware treibst du denn hier Handel?« fragte er.
»Wenn ich ihm alles sage, gibt er mir vielleicht etwas dafür«, sagte der Knabe eifrig. »Östen hat dem König Sven Orms Kopf verkauft und ist nun hierhergekommen, um ihn zu holen.«
»Komm mit«, sagte Rapp.
Sie eilten in das Haus. Orm hatte sich angekleidet niedergelegt, teils des Unwetters, teils der Fremden wegen, und was er nun zu hören bekam, machte ihn bald völlig wach. Er verbot, Feuer anzumachen, und zog schnell die Brünne an.
»Haben sie mich doch an der Nase herumgeführt!« sagte er. »Aber ich habe ja ihre Waffen.«
»Sie haben Schwerter und Äxte in ihren Packen versteckt«, sagte der Knabe. »Sie sagen, daß dein Kopf reichliche Mühe wert ist. Ich aber soll nichts von ihrem Lohn bekommen und wurde zu den Pferden in den Regen hinausgeschickt; darum mögen sie nun um ihren Handel geprellt werden. Ich gehöre nicht zu ihnen. Nun werden sie bald hier sein.«
Orms Mannen waren alle geweckt worden und hatten sich bewaffnet. Mit Orm und Rapp waren sie neun an der Zahl, aber einige waren schon bei Jahren, und im Kampf war auf sie nicht zu rechnen.
»Es wird am besten sein, daß wir uns gleich bei ihrer Tür aufstellen«, sagte Orm. »Wenn es sich gut trifft, können wir sie drinnen ausräuchern.« Rapp guckte durch die Türspalte hinaus.
»Wir haben Glück«, sagte er. »Es klärt sich auf. Da können wir sie mit den Speeren besser treffen, wenn sie heraus wollen.«
Das Unwetter war vorübergezogen, und Ungewisses Mondlicht fiel durch die Wolken. Ylva stand hinter den Männern, als sie hinausgingen. »Gut wär’s, wenn das überstanden wäre«, sagte sie.
»Sei guten Mutes«, sagte Orm zu ihr, »und wärme unterdessen das Bier. Manch einer mag es nötig haben, wenn wir zurückkommen.«
Sie gingen schweigend über den Hof zum Badehaus, vorbei am Holzschuppen, der daneben lag. Als sie bis dahin gekommen waren, öffnete sich sachte die Tür des Badehauses: Männer lugten hervor, und Waffen glänzten. Orms Mannen schleuderten sofort ihre Speere, aber die Sicht war schlecht, und weil die Fremden schnell zum Hause hinaus wollten, entstand in der Tür Gedränge. Da beugte Orm sich nieder und riß den Hackblock hoch, der vor dem Holzschuppen stand; es gelang, obwohl ihm die Arme dabei knackten, und so rannte er vor und schleuderte den Klotz aus ganzer Kraft durch die Türöffnung. Die vordersten der Männer konnten noch schnell beiseite springen, aber andere drinnen wurden getroffen und stürzten aufschreiend übereinander hin.
»Dergleichen kann Nutzen bringen«, sagte Rapp.
Aber die Fremden zeigten sich bald als unerschrockene Männer, wenn auch die Sache anders in Gang gekommen war, als sie es sich gedacht hatten. Man kämpfte erbittert, und die Verwirrung war groß; denn wenn der Mond hinter die Wolken trat, war es nicht leicht, Freund von Feind zu unterscheiden. Orm geriet im Kampf an zwei Männer, und den einen schlug er bald nieder; aber der andere, der klein und vierschrötig war, rannte mit gesenktem Kopf wie ein Eber gegen ihn an, brachte ihn zu Fall und stieß ihm ein langes Messer in den Schenkel. Orm ließ sein Schwert fahren und umklammerte mit dem Arm den Hals des Mannes; mit der anderen Hand hielt er dessen Messer von sich ab und spannte dabei seine Kräfte bis aufs äußerste. So wälzten sie sich eine gute Weile im Regenwasser umher; der andere war kurzhalsig, stark wie ein Bär und anzufühlen wie ein Troll. Zuletzt rollten beide gegen die Wand des Badehauses; gegen die konnte Orm sich stemmen und seinem Griff Nachdruck geben; und da begann der andere zu röcheln, dann knackte es in seinem Nacken, und er lag still. Orm kam wieder auf die Beine; er suchte und fand sein Schwert; aber der Messerstich, den er erhalten hatte, machte ihn mißmutig, denn jetzt konnte er sich nur mühsam bewegen und mußte tatenlos anhören, daß einige seiner Mannen um Hilfe riefen.
Da aber – über den Kampflärm hin – ertönte Hundegebell, und Vater Willibald kam mit einem Speer in der Hand um die
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