Die Abenteuer des Röde Orm
Mannen waren nun, nachdem sie sich so lange wie möglich gewehrt hatten, gefallen, und schließlich war das ganze Schiff abgeräumt; nur einige wenige waren auf das Vorderschiff gedrängt worden, unter ihnen Toke und Orm. Toke hatte einen Pfeil in den Schenkel bekommen, doch er konnte sich noch auf den Beinen halten; Orm hatte ein Hieb über die Stirn getroffen, und er konnte, da ihm das Blut in die Augen rann, nur schlecht sehen. Beide waren sehr müde. Tokes Schwert zerbrach an einem Schildbuckel; er trat zurück und stieß dabei an ein Fäßchen mit Bier, das auf der Festung gewonnen worden und auf das Vorderschiff gestellt worden war. Er warf den Schwertstumpf von sich, ergriff das Faß mit beiden Händen und hob es hoch über den Kopf.
»Zu irgend etwas kann das doch noch nütze sein«, sagte er und schleuderte es gegen die Feinde, die ihm zunächst waren, so daß einige zerschmettert wurden und viele zu Boden fielen.
Er rief nun Orm und den anderen zu, daß es hier nichts mehr zu tun gebe, und sprang damit kopfüber in die See, um vielleicht schwimmend das Land zu erreichen. Orm sprang ihm nach, und so viele sich noch von den Feinden lösen konnten, folgten. Ihnen wurden Speere und Pfeile nachgesandt, und einige trafen; Orm tauchte und kam wieder hoch und schwamm, so gut es gehen wollte.
Wenn er dann nach Jahren, in seinem Alter, davon erzählte, sagte er, daß es kaum etwas Schwierigeres gebe, als in einem engen Kettenhemd zu schwimmen, noch dazu, wenn man sehr müde sei. Toke und Orm waren bald völlig ermattet und nahe am Sinken; ein feindliches Boot ruderte ihnen nach, und sie mußten zulassen, daß man sie aus dem Wasser zog und band.
Nun waren die Fremden Sieger und ruderten an Land, um die Beute zu betrachten und ihre Toten zu begraben. Sie räumten das eroberte Schiff auf, warfen dessen gefallene Verteidiger über Bord und fingen an, in der Ladung zu kramen. Die Gefangenen wurden an Land geführt; mit gebundenen Armen und gut bewacht mußten sie sich am Strande niedersetzen.
Es waren ihrer zusammen neun, und alle hatten Wunden. So warteten sie darauf, daß man sie tötete.
Schweigend saßen sie da und blickten auf das Meer hinaus; weder von Berses Schiffen noch von den mit ihnen verschwundenen feindlichen war etwas zu sehen.
Toke seufzte und fing an, vor sich hin zu murmeln. Dann sagte er:
»Durstend ließ ich
Bier verrinnen;
Bald werd’ ich trinken
Walvaters Meth.«
Orm lag auf dem Rücken und blickte in die Wolken. Er sagte:
»Daheim auf dem Hof,
Da ich geboren,
Säß’ ich jetzt lieber
Bei Dickmilch und Brot.«
Krok war der traurigste von allen, denn er hatte sich auf der ganzen Fahrt als Held und als Liebling des Glückes gefühlt, und nun hatte er den jähen Zusammenbruch erfahren müssen. Er sah zu, wie die Gefallenen über Bord geworfen wurden, und sagte:
»Tagwerklohn
Der Meerdurchpflüger
War Unheil und
Unzeitiger Tod.«
Toke sagte, er hätte nie gedacht, daß es unter ihnen drei Dichter gäbe. »Wenn es auch sein mag«, sagte er zu Orm und Krok, »daß ihr beide im Zusammenbringen von Versen nicht so große Fertigkeit habt wie ich, so bleibt euch ja doch der Trost, daß beim Gastmahl der Götter die Dichter aus den größten Hörnern trinken.«
Nun hörte man viel Geschrei und Rufen auf dem Schiff, denn die Fremden hatten das Mädchen in seinem Versteck gefunden. Sie brachten es an Land, und es sah aus, als werde es Streit geben um ihren Besitz, denn mehrere Männer waren unter scharfem Gekrächz um sie her. Dabei wippten ihre schwarzen Bärte auf und nieder.
»Ist dem Habicht der Flügel gebrochen, so schlagen sich die Krähen um die Henne«, sagte Toke.
Das Mädchen wurde dem Häuptling der Fremden vorgeführt; er war dick und hatte einen graugesprenkelten Bart und goldene Ringe in den Ohren; sein Mantel war rot, und in der Hand hatte er einen silbernen Hammer mit langem weißem Schaft. Er betrachtete sie und strich sich den Bart; darauf redete er sie an, und es zeigte sich, daß sie einander verstehen konnten. Das Mädchen hatte eine ganze Menge zu erzählen, und mehrere Male wies sie auf die Gefangenen; als aber auch er auf sie zeigte und dabei noch einige Fragen stellte, streckte sie die Hände von sich und schüttelte den Kopf. Der Häuptling der Fremden nickte; darauf gab er ihr einen Befehl, dem sie, wie man ihr ansah, nur ungern gehorchen wollte, denn sie reckte mit lautem Rufen die Arme gen Himmel; aber als er sie dann in strengem Ton anfuhr, wurde sie gefügig und
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