Die Abenteuer des Röde Orm
bis er von dort loskommen könnte. Denn mit dem Mädchen sind ihm so viele Höfe zugefallen, dazu auch bewegliches Gut, daß es mit dem Verkauf nicht schnell gehen kann; und Vagn hat nicht die Gewohnheit, ohne Not billig zu verkaufen.«
»In deiner Erzählung kommt etwas vor, woran ich immerfort denken muß«, sagte Toke zu Sigurd, »das ist die Truhe mit Bues, deines Vaters Schätzen, die er mit sich über Bord nahm. Konntest du sie bergen, noch bevor du nach Norwegen fuhrst, oder hat ein anderer sie gehoben? Wenn sie noch auf dem Boden des Meeres liegt, so weiß ich, was ich tue, wenn ich nach Norwegen komme; ich fische dann nach ihr. Denn Bues Silber wäre diese Mühe wohl wert.«
»Nach der Truhe«, sagte Sigurd, »ist viel gesucht worden, sowohl von den Norwegern als auch von uns, die wir von Bues Mannen übrig waren. Viele versuchten es mit Greifeisen, aber nichts hakte sich daran fest; und ein Mann von Viken tauchte danach mit einem Strick, ist aber nicht wieder zum Vorschein gekommen, und seitdem sind alle des Glaubens, daß Bue Manns genug ist, seine Truhe dort unten festzuhalten und alle hart anzupacken, die den Versuch machen, an sie zu rühren. Denn er war stark, und an seinem Silber war ihm sehr gelegen. Erfahrene Leute sind sich ja einig darüber, daß die Kräfte derer, die in Hügeln wohnen, größer sind als die der Lebenden; und so mag es sich auch mit Bue verhalten, obschon er nicht in einem Grabhügel sitzt, sondern auf dem Meeresgrund neben seiner Truhe.«
»Es ist schade um das Silber«, sagte Toke, »aber wahr ist auch, daß sogar der Behendeste sich alles andere wünschen würde, als unter dem Wasser von Bues Armen umklammert zu werden.«
Damit ging dieser Abend zu Ende; und am darauffolgenden wollte König Harald von Styrbjörns Abenteuern bei den Wenden und Kuren hören. Styrbjörn sagte, daß er sich aufs Erzählen nicht verstehe, aber ein Isländer in seiner Gefolgschaft nahm das Wort. Er hieß Björn Äsbrandson und war ein berühmter Krieger und dazu, wie alle umherfahrenden Isländer, ein großer Dichter. Obschon er nun bereits etwas betrunken war, sagte er doch mit großer Geschicklichkeit vor König Harald seine Dichtung in einem Versmaß her, das Töglag hieß. Das war die neueste und schwierigste Versform der isländischen Dichter, und die Verse waren so kunstvoll zusammengesetzt, daß von ihrem Inhalt nur wenig zu verstehen war. Alle hörten mit klugen Mienen zu, denn es würde ein schlechtes Ansehen geben, wenn man sich auf Dichtkunst nicht verstände. König Harald lobte die Verse und gab dem Dichter einen Goldring. Toke saß mit dem Kopf in den Händen; er stützte sich schwer auf den Tisch und seufzte; traurig murmelte er, daß dies hier wirkliche Dichtkunst sei, und nun, sagte er, könne er einsehen, daß er selbst nie imstande sein werde, Verse von der Art zu machen, die Goldringe einbringe.
Der Mann von Island, den einige »Breitwikingermantel« nannten und der zwei Sommer bei Styrbjörn gewesen war, berichtete nun von Styrbjörns Heerfahrten und was sich dabei Merkwürdiges zugetragen hatte; er sprach gut und lange, ohne daß jemand vom Zuhören müde wurde. Alle wußten, daß er nur Wahres berichtete, da Styrbjörn selber als Zuhörer dasaß. Er hatte viel von gewagten Unternehmungen und von Styrbjörns Glück zu sagen und auch von Reichtümern, die seine Mannen dabei gewonnen hatten. Und er schloß mit einem alten Gedicht auf Styrbjörns Vorfahren, das mit den Göttern anfing und mit seinem Oheim Erik, der nun in Uppsala saß, schloß; und die letzte Strophe hatte er selber hinzugefügt:
»Nordwärts bald,
Erbschaft zu fordern,
Rudert Styrbjörn
Mit hundert Kielen;
Sieggewohnte
Flinke Männer
Lärmen froh
In Eriks Sälen.«
Das wurde mit Jubel begrüßt, und viele sprangen von den Bänken auf und tranken auf Styrbjörns Glück. Styrbjörn ließ einen kostbaren Trinkbecher holen und gab ihn dem Dichter und sagte: »Das ist nicht der volle Dichterlohn für dich; es wird mehr werden, wenn ich erst in Uppsala sitze. Dort gibt es für jeden in meiner Gefolgschaft guten Lohn, denn mein Oheim Erik ist ein sparsamer Mann und hat viel beiseite gelegt, was von Nutzen sein könnte. Wenn es Frühling wird, fahre ich hin, um seine Truhen zu öffnen, und wer mit dabei sein will, ist willkommen.« Unter König Haralds und auch unter König Svens Mannen waren viele, die das lockte und die nun gleich riefen, daß sie mitfahren wollten. Denn König Eriks Reichtum war berühmt, und
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