Die Abenteuer des Röde Orm
dem Jarl Häkan Norwegen wegzunehmen; und wie nur wenige von diesem Anschlag zurückgekommen waren. Daher erzählte Sigurd von alledem nicht viel, und er sagte nichts davon, wie Sigvalde mit seinen Schiffen aus der Schlacht geflohen war. Denn es hätte sich schlecht gemacht, von Sigvalde zu reden, während Thorkel der Hohe unter den Zuhörern saß, obschon alle wußten, daß Thorkel tapfer war und daß er in der Schlacht einen großen Stein an den Kopf bekommen hatte und bewußtlos gewesen war, als sein Bruder davonruderte.
Sigurd war auf dem Schiff seines Vaters gewesen und hielt sich nur an das, was er selbst erlebt hatte. Er berichtete vom Tode seines Vaters: wie Bue, nach gewaltigem Kampf und als auf seinem Schiff das Gedränge der Norweger groß geworden war, einen Schwerthieb über das Gesicht bekam, der die Nase und das meiste vom Kinn wegnahm; und wie er da seine große Truhe mit den Schätzen aufhob und mit ihr über Bord sprang; und wie da Bues Gefolgsmann, Aslak Holmskalle, einen Berserkergang ging ohne Helm und Schild – etwas, das man nun nicht mehr oft zu sehen bekam – und mit beiden Händen um sich haute; und wie er eisenfest war, bis ein Gefährte von Jarl Häkans Sohn Erik, ein isländischer Dichter, einen Amboß vom Deck aufhob und ihm damit den Schädel einschlug.
»Wir, die wir auf meines Vaters Schiff noch am Leben waren«, sagte Sigurd, »konnten da nicht mehr viel tun; denn wir waren nur noch wenige und dazu sehr müde; und alle unsere Schiffe, außer Vagns eignem, auf dem noch gekämpft wurde, waren schon genommen. Wir wurden auf dem Vorderschiff zusammengedrängt, und bald konnten wir weder Hand noch Fuß rühren; zuletzt waren nur noch neun von uns übrig, alle verwundet; und da preßten sie uns zwischen die Schilde und nahmen uns gefangen. Waffenlos führte man uns an Land, und bald kamen auch die letzten von Vagns Schiff, und mit ihnen Vagn selbst. Er wurde von zwei Männern getragen und war gezeichnet von Schwert und Speer, er war müde und bleich und sprach kein Wort. Wir mußten uns am Strande auf einen Baumstamm setzen, und die Beine wurden uns mit einem langen Strick zusammengebunden, aber die Hände hatten wir frei. Da saßen wir nun und warteten, während man sich beim Jarl Häkan erkundigte, was mit uns geschehen sollte. Er befahl, uns sofort zu töten, und Jarl Erik, sein Sohn, und viele mit ihm kamen, um zuzusehen; denn die Norweger waren neugierig, wie Jomsvikinger sich wohl verhielten, wenn es ans Sterben ging. Wir auf dem Baumstamm waren dreißig Mann: neun von Bues Schiff, acht von Vagns, der Rest von anderen Booten. Vagn selbst saß als letzter rechts. Und alle, die ich kannte von denen, die da saßen, will ich nun nennen.«
In derselben Reihenfolge, in der sie auf dem Balken gesessen hatten, zählte Sigurd alle auf, die er mit Namen gekannt hatte. Alle lauschten aufmerksam, denn viele, die er nannte, waren bekannte Leute und hatten unter den Zuhörern Verwandte.
»Nun kam ein Mann mit einer Bartaxt«, fuhr Sigurd Buesson fort, »und er blieb vor Vagn stehen und sagte: >Weißt du, wer ich bin?< Vagn blickte ihn flüchtig an, ohne sich weiter um ihn zu kümmern, und antwortete nicht, denn er war sehr müde. Der andere sagte: >Ich bin Thorkel Leira, und du erinnerst dich vielleicht an dein Gelöbnis, mich zu töten und mit meiner Tochter zu Bett zu gehen.< Was er sagte, stimmte, denn das hatte Vagn vor der Heerfahrt gelobt, als ihm zu Ohren gekommen war, daß Thorkels Tochter das schönste Mädchen in Norwegen sei und noch dazu eines der reichsten. >Aber jetzt <, sagte Thorkel Leira und grinste breit, >jetzt sieht es eher so aus, wie wenn ich dich töten werde.< Vagn sagte mit einem Anflug von Lächeln: >Alle Jomsvikinger sind noch nicht tot.< – >Aber sie werden es bald sein<, sagte Thorkel, >und dafür werde ich selbst sorgen, damit in dieser Sache nichts versäumt wird. Du sollst erst alle deine Leute von meiner Hand sterben sehen, und dann sollst du ihnen unverzüglich folgen.< Damit ging Thorkel zum anderen Ende des Baumstammes und fing an, den Gefangenen die Köpfe abzuschlagen, Mann nach Mann, so wie sie da saßen; er hatte eine gute Axt und ging mit Eifer ans Werk, so daß er nie zweimal zuzuschlagen brauchte. Und meiner Überzeugung nach mußten die Zuschauer alle der Meinung sein, daß Vagns und Bues Mannen sich angesichts des Todes gut hielten. Zwei in meiner Nähe Sitzende sprachen darüber, ob man wohl etwas spüre, nachdem man enthauptet sei, und sie
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