Die Abenteuer des Röde Orm
daß sie noch viel länger leben werde als er und dereinst tüchtig mithelfen werde, ihren Enkeln die Rute zu geben. Da weinte sie noch ärger, und damit trennten sie sich, und Orm segelte zu Thorkel.
Während Thorkel noch dalag und auf Wind wartete, kam eine Flotte von achtundzwanzig Schiffen von Süden her angerudert, und an den Schiffszeichen und Steven sah man, daß sie aus Svealand war. Das Wetter war still und für einen Kampf günstig, und beide Teile machten sich bereit; aber Thorkel rief die Fremden an und sagte, wer er sei und daß er mit ihrem Häuptling reden wollte. Sie standen unter zwei Häuptlingen von gleich großem Ansehen; der eine hieß Jostein und war aus Uppland, der andere war Gudmund, ein Ostländer. Sie waren gekommen, um König Erik beim Plündern in Dänemark zu helfen, und fragten Thorkel, was er sonst noch wissen wolle.
»Wenn wir uns schlagen«, sagte Thorkel, »gewinnt der Sieger wenig, und alle beide verlieren viele Leute, wenn auch sehr wahrscheinlich ich es sein werde, der die Oberhand gewinnen wird.«
»Wir haben fünf Schiffe mehr als du«, sagten die Neugekommenen.
»Meine Leute sind gut ausgeruht und haben erst vor kurzem ihr Morgenmahl gehabt«, sagte Thorkel, »aber eure sind müde vom Rudern, und dann geht es schlechter mit Schwert und Speer. Aber wir könnten etwas anderes vornehmen, das für uns alle von Nutzen wäre; denn es gibt Stellen, wo Plünderung sich mehr lohnt als gerade in Dänemark.«
»Wir sind gekommen, um König Erik zu helfen«, sagten die Uppländer.
»Das mag sein«, sagte Thorkel, »und wenn ich mich mit euch schlage, so bin ich König Sven eine gute Hilfe. Aber wenn wir uns nicht schlagen, sondern zusammen dorthin segeln, wo viel zu holen ist, dann haben wir für unsere Könige ebensoviel getan, als wenn wir uns hier schlagen würden; denn in jedem Fall wären unsere Flotten nicht mehr da; doch besteht, wenn wir zusammenhielten, der Unterschied, daß wir dann alle noch am Leben wären und Reichtümer vor uns sähen.«
»Du setzest deine Worte gut«, sagte Gudmund, »und in dem, was du sagst, ist nicht wenig Verstand; es mag sich lohnen, noch mehr darüber zu reden.«
»Von euch beiden habe ich als von großen Häuptlingen und ehrlichen Männern gehört«, sagte Thorkel, »und daher fürchte ich keinen Trug, wenn wir uns zu einer Unterredung treffen.«
»Ich kenne deinen Bruder Sigvalde«, sagte Jostein, »aber ich habe viele sagen gehört, daß du nicht bist wie er.«
Es wurde nun abgemacht, daß sie am Ufer der Insel, unterhalb des steilabfallenden Strandes, angesichts der Schiffe zusammentreffen sollten; Jostein und Gudmund mit je einem Gefolge von drei Mann, und Thorkel mit fünf; alle mit Schwertern, aber ohne Schleuderwaffen. Und so geschah es; und von den Schiffen aus sah man, wie sie anfangs ein Stück voneinander entfernt und mit ihren Leuten dicht hinter sich dastanden; aber dann ließ Thorkel Bier herumreichen und dazu Schweinefleisch und Brot; und bald sah man sie beisammensitzen und vertraulich miteinander reden. Je mehr Jostein und Gudmund sich Thorkels Vorschlag durch den Sinn gehen ließen, desto besser gefiel er ihnen, und Gudmund war bald gewonnen. Jostein sträubte sich anfangs und sagte, König Erik zeige Ungehorsamen einen harten Sinn, aber Thorkel hatte viel von den guten Zeiten zu berichten, die westwärts steuernden Seefahrern bevorständen, und Gudmund meinte, daß später immer noch Zeit sein werde, sich wegen König Eriks Laune Sorgen zu machen. Sie bestimmten nun, wer auf der Reise die Macht und Führung haben und wie die Beute verteilt werden sollte, damit später nicht Zwietracht entstünde, und Gudmund sagte: »Reden und Schweinefleisch machen guten Durst.« Und er lobte Thorkels Bier. Thorkel schüttelte den Kopf und sagte, es sei im Augenblick gewiß das beste, was er zu bieten habe, aber gegen das Bier in England sei es rein gar nichts, denn dort gebe es die allerbeste Malzgerste, und Jostein mußte einstimmen und sagen, daß dieses Land einen Besuch wohl wert sei. Zuletzt gaben sie einander die Hand darauf, daß sie Geleitschaft halten und zu ihrem Wort stehen wollten; und als sie wieder an Bord kamen, wurden auf den Häuptlingsschiffen drei Schafe über dem Bug geschlachtet zum Opfer für das Meervolk, damit sie gutes Wetter und glückliche Fahrt hätten. Auf der ganzen Flotte war man mit dem Beschlossenen wohl zufrieden, und Thorkels Ansehen, das unter seinen Leuten bereits groß gewesen war, wuchs durch die
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