Die Abenteuer des Röde Orm
hier von ihm bewiesene Klugheit.
Aus Schonen und Halland kamen jetzt noch einige Schiffe zu Thorkel, und als günstiger Wind aufkam, segelte die Flotte – fünfundfünfzig Segel stark – hinaus. Sie plünderten in diesem Herbst in Friesland und überwinterten dort.
Orm suchte von Thorkel und anderen zu erfahren, was aus König Haralds Haushalt geworden war. Einige hatten erzählen hören, daß Jellinge niedergebrannt sei, andere meinten zu wissen, daß Bischof Poppo das Meer durch fromme Lieder beruhigt habe und dann selbst auf dem Seewege entkommen sei, wenngleich König Sven ihn gern gefangen hätte; aber niemand wußte etwas von den Frauen, die um den König gewesen waren.
Als König Ethelred erwachsen war und selbst die Herrschaft angetreten hatte, fing es in England an, wieder so zu werden, wie einst zur Zeit der Lodbrokssöhne. Er war bald als der »Unschlüssige« oder »Ratlose« bekannt geworden, und seefahrende Nordmänner scharten sich froh um seine Küsten, um ihm zu helfen, diesen Namen zu Recht zu tragen.
Anfangs kamen sie in nur kleinen Gefolgschaften und wurden bald vertrieben, denn wenn dort, wo sie an der Küste auftauchten, Feuerzeichen in Brand gesteckt wurden, waren bald gute Aufgebote zur Stelle, die über breite Schilde hinweg sich mit ihnen schlugen. Aber König Ethelred gähnte an seinem Tisch und ordnete Gebete gegen die Nordmänner an und lag fleißig bei den Frauen seiner Großen; er brüllte in seiner Kammer zornig auf, wenn es hieß, daß allen Gebeten zum Trotz die langen Schiffe wieder da seien; er hörte müde viele Ratschläge an und klagte über seine große Mühsal und wußte nicht, was er etwa sonst noch hätte vornehmen sollen. Da wurden die Scharen dichter und kamen öfter, bis die Aufgebote nicht mehr recht ausreichen wollten; und nun gelangten mitunter größere Gefolgschaften ein gutes Stück in das Binnenland hinein und kehrten gebeugt unter ihrer Beutelast zu den Schiffen zurück. Allgemein ging die Kunde um, daß für dreiste Seefahrer, wenn sie stark genug waren, kein Land so viele fette Bissen und Silberschätze abwerfe wie das Reich König Ethelreds. Noch war keine große Flotte erschienen, und noch hatten Häuptlinge nicht gelernt, aus König Ethelreds Truhen »Dänengeld« in gemünztem Silber zu erheben; aber im Jahre des Herrn 991 war die Stunde dafür gekommen, und von da an sollte es ihnen nicht an Gelehrigkeit fehlen, solange es einen König Ethelred gab, der bezahlte.
In dem Jahre, das das fünfte war, seit König Ethelred die Herrschaft angetreten hatte, brannten gleich nach Ostern die Feuerzeichen längs der Küste von Kent; und in der Morgendämmerung spähten die Leute bleich über das Meer hinaus und liefen, um zu verstecken, was sich irgend verstecken ließ, und dann ihr Vieh in die Wälder zu treiben und sich selbst samt den Tieren zu verbergen. Und Boten ritten, so schnell die Pferde laufen konnten, zu König Ethelred und den Jarlen, um ihnen zu sagen, daß die größte Flotte, die man seit Jahren gesehen, die Küste entlang fahre, und daß die Heiden schon begonnen hätten, ans Ufer zu waten.
Als die Aufgebote sich gesammelt hatten, vermochten sie gegen die Fremden nichts auszurichten; die streiften in starken Haufen umher und plünderten und trieben zusammen, was sich in der Gegend fand. Große Furcht verbreitete sich, daß sie nun landeinwärts ziehen würden, und der Erzbischof von Canterbury machte sich zum König auf, um für seine Stadt Hilfe zu fordern. Aber als die Fremden eine Zeitlang in der Küstengegend ihren Willen gehabt und alles auf die Schiffe geschleppt hatten, was ihnen wert schien, mitgenommen zu werden, segelten sie wieder davon. Darauf landeten sie bei den Ostsachsen und trieben es dort auf dieselbe Weise.
König Ethelred und sein Erzbischof, der Siegreich hieß, befahlen nun noch längere Gebete an; und als ihnen bald danach zu Ohren kam, daß die Heiden nach Verwüstung einiger Dörfer wieder in See gegangen waren, ließen sie an die Priester, die am fleißigsten gebetet hatten, Geschenke austeilen, und damit glaubten sie nun, diese Heimsuchung los zu sein. Aber gleich darauf ruderten jene auf die Stadt Maeldun zu, die dicht am Fluß Panta lag, und schlugen ein Lager auf einer Insel zwischen zwei Flußarmen auf. Dort rüsteten sie sich zum Angriff auf die Stadt.
Der Jarl der Ostsachsen hieß Byrhtnoth. Er hatte im Lande einen großen Ruf; er war von höherem Wuchs als andere und ein stolzer und unerschrockener Mann. Mit
Weitere Kostenlose Bücher