Die Abenteuer des Sherlock Holmes Bd.1
Habichtnase und saß so mit geschlossenen Augen, die schwarze Tonpfeife ragte vor wie der Schnabel eines seltsamen Vogels. Ich nahm an, er sei eingeschlafen, und döste auch, aber plötzlich sprang er entschlossen auf und legte die Pfeife auf den Kaminsims.
»Heute spielt Sarasate in der St. James’ Hall. Was glauben Sie, Watson, können Ihre Patienten Sie für einige Stunden entbehren?«
»Ich habe heute nichts zu tun. Meine Praxis nimmt mich nie voll in Anspruch.«
»Dann setzen Sie sich den Hut auf und kommen Sie mit. Wir gehen erst durch die City, unterwegs nehmen wir einen Lunch zu uns. Es steht viel deutsche Musik auf dem Programm, das ist mehr nach meinem Geschmack als die italienische oder die französische. Sie ist introspektiv, und ich möchte heute introspektiv sein. Also kommen Sie!«
Wir fuhren mit der Untergrundbahn bis Aldersgate; von dort machten wir einen kleinen Spaziergang zum Saxe Coburg Square, dem Schauplatz der seltsamen Geschichte, die wir am Morgen gehört hatten. Es war ein kleiner, verwinkelter Platz von heruntergekommener Eleganz, an den vier Seiten von schmutzigen zweistöckigen Backsteinhäusern umstanden, die auf eine kleine umzäunte Fläche sahen, wo ein verwilderter Rasen und einige mickrige Lorbeerbüsche einen harten Kampf gegen die rauchgeschwängerte, unzuträgliche Luft führten. Drei vergoldete Bälle und ein braunes Brett mit der Aufschrift Jabez Wilton in weißen Lettern an einem Eckhaus bezeichneten den Ort, an dem unser rothaariger Klient sein Geschäft betrieb. Sherlock Holmes blieb davor stehen, neigte den Kopf zur Seite und musterte den Laden mit hellwachen Augen aus zusammengekniffenen Lidern. Dann ging er langsam die Straße hinauf und wieder zurück bis zur Ecke, wobei er unverwandt und eingehend die Häuser betrachtete. Schließlich verharrte er vor der Pfandleihe, und nachdem er zwei- oder dreimal mit dem Stock heftig auf das Pflaster gestoßen hatte, trat er zur Tür und klopfte. Sofort öffnete ein heiter aussehender, glattgesichtiger junger Bursche und forderte ihn auf, einzutreten.
»Vielen Dank«, sagte Holmes. »Ich wollte nur wissen, wie man von hier zum Strand kommt.«
»Dritte Straße rechts, vierte links«, antwortete der Gehilfe prompt und schloß die Tür.
»Ein geriebener Bursche«, stellte Holmes fest, als wir davongingen. »Er ist meiner Meinung nach der viertgerissenste Mann von London; ich bin mir sogar nicht ganz sicher, ob er nicht Anspruch auf den dritten Rang hat. Ich habe schon einiges von ihm kennengelernt.«
»Offensichtlich«, sagte ich, »spielt Mr. Wilsons Gehilfe eine wichtige Rolle in der geheimnisvollen Liga der Rothaarigen. Gewiß haben Sie. nur nach dem Weg gefragt, um ihn zu sehen zu bekommen.«
»Nicht ihn.«
»Was dann?«
»Seine Hosenknie.«
»Und was haben Sie gesehen?«
»Was ich erwartete.«
»Warum haben Sie auf das Pflaster gestoßen?«
»Mein lieber Doktor, jetzt ist die Zeit für Beobachtung, nicht für Unterhaltung. Wir sind Spione in einem feindlichen Land. Wir wissen einiges über den Saxe Coburg Square, lassen Sie uns nun die Pfade erkunden, die hinter ihm liegen.«
Die Straße, in der wir uns befanden, nachdem wir um die Ecke des stillen Platzes gebogen waren, bot dazu einen so großen Kontrast wie die Vorderseite eines Bildes im Unterschied zu seiner Rückseite. Sie war eine der Hauptschlagadern, die den Verkehr aus der City nach Norden und Westen leitete. Die Fahrbahn war von einem nicht abreißenden Fahrzeugstrom verstopft, der sich in zwei Richtungen, stadteinwärts und stadtauswärts, wälzte, und die Trottoirs waren schwarz von hastenden Fußgängerscharen. Als wir die Reihe der schönen Läden und stattlichen Geschäftshäuser betrachteten, fiel es uns schwer zu glauben, daß sie wirklich auf der anderen Seite an den schäbigen, stillen Platz grenzen sollte, den wir eben verlassen hatten.
»Mal sehen«, sagte Holmes. Er war an der Ecke stehengeblieben und blickte die Häuserzeile entlang. »Ich sollte mir einprägen, wie die Gebäude aufeinander folgen. Es ist eines meiner Hobbys, genaue Kenntnisse über London zu besitzen. Also: Da ist Mortimer, der Tabakhändler, der kleine Zeitungsladen, die Coburg-Filiale der City and Suburban Bank, das Vegetarier-Restaurant und McFarlanes Wagendepot. Dahinter fängt der andere Block an. Jetzt, Doktor, haben wir unsere Arbeit getan, und es ist Zeit für Spiele. Ein Sandwich und eine Tasse
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