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Die Abenteuer des Sherlock Holmes

Die Abenteuer des Sherlock Holmes

Titel: Die Abenteuer des Sherlock Holmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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führte und sich nicht auf dem eigentlichen Grundstück befand, da es sich um einen öffentlichen, wiewohl kaum genutzten Durchgang handelte. Holmes verließ uns, als wir an der Tür standen, und ging langsam rund um das Haus, die Vorderseite entlang, den Lieferanten-Pfad hinunter, und schließlich durch den rückwärtigen Garten zum Weg, der zu den Stallungen führte. Er blieb so lange, daß Mr. Holder und ich in den Speiseraum gingen und beim Kamin auf seine Rückkehr warteten. Wir säßen dort schweigend, als sich die Tür öffnete und eine junge Dame eintrat. Sie war eher über mittelgroß, schlank, mit dunklem Haar und Augen, die neben der vollkommenen Blässe ihrer Haut noch dunkler wirkten. Ich glaube nicht, daß ich je solch eine Leichenblässe im Antlitz einer Frau gesehen habe. Auch ihre Lippen waren blutleer, ihre Augen jedoch gerötet vom Weinen. Als sie stumm in den Raum schwebte, vermittelte sie mir einen stärkeren Eindruck von Trauer als der Bankier am Morgen, und an ihr war dies um so auffälliger, da sie offensichtlich eine Frau von ungewöhnlicher Charakterstärke war, mit ungeheurer Fähigkeit zur Selbstbeherrschung. Sie ignorierte meine Anwesenheit, begab sich sogleich zu ihrem Onkel, und in einer sanften, fraulichen Liebkosung strich sie mit der Hand über seinen Kopf.
    »Du hast doch sicher angeordnet, daß man Arthur freiläßt, nicht wahr, Vater?« fragte sie.
    »Nein, nein, mein Liebes, man muß der Sache auf den Grund gehen.«
    »Aber ich bin so sicher, daß er unschuldig ist. Du weißt, was der Instinkt einer Frau ist. Ich weiß, daß er nichts Böses getan hat, und daß es dir leid tun wird, so streng gehandelt zu haben.«
    »Warum schweigt er denn dann, wenn er unschuldig ist?«
    »Wer weiß? Vielleicht, weil er verärgert darüber war, daß du ihn verdächtigst.«
    »Wie kann ich ihn denn nicht verdächtigen, wenn ich ihn doch selbst mit der Krone in der Hand da gesehen habe?«
    »Ach, aber er hatte sie doch nur aufgehoben, um sie anzusehen. O bitte, bitte, glaub mir, ich gebe dir mein Wort, daß er unschuldig ist. Laß die Sache fallen und sag nichts mehr. Es ist so schrecklich, sich vorzustellen, unser lieber Arthur könnte im Gefängnis sitzen!«
    »Ich werde es nie auf sich beruhen lassen, bis die Steine gefunden sind – niemals, Mary! Deine Zuneigung zu Arthur macht dich blind, was die furchtbaren Folgen für mich angeht. Ich werde die Sache nicht vertuschen; im Gegenteil, ich habe einen Gentleman aus London mitgebracht, um tiefer in die Angelegenheit einzudringen.«
    »Diesen Gentleman?« fragte sie; sie wandte sich mir zu.
    »Nein, seinen Freund. Er wollte, daß wir ihn allein lassen. Er ist jetzt hinten auf dem Weg zu den Ställen.«
    »Auf dem Weg zu den Ställen?« Sie hob ihre dunklen Brauen. »Was kann er denn da zu finden hoffen? Ah, ich nehme an, das ist er. Ich hoffe, Sir, es wird Ihnen gelingen, die Wahrheit zu beweisen, von der ich überzeugt bin, nämlich, daß mein Vetter Arthur an diesem Verbrechen unschuldig ist.«
    »Ich teile Ihre Meinung voll und ganz, und mit Ihnen bin ich sicher, daß wir es beweisen können«, erwiderte Holmes; er ging zurück zur Matte, um den Schnee von seinen Schuhen abzustreifen. »Ich nehme an, ich habe die Ehre, mit Miss Mary Holder zu sprechen. Darf ich Ihnen eine oder zwei Fragen stellen?«
    »Bitte, Sir, fragen Sie, wenn es dazu helfen kann, diese schreckliche Affaire aufzuklären.«
    »Sie selbst haben letzte Nacht nichts gehört?«
    »Nichts, bis mein Onkel hier laut zu reden anfing. Das habe ich gehört, und dann bin ich heruntergekommen.«
    »Sie haben am Abend zuvor die Fenster und Türen geschlossen. Haben Sie alle Fenster verriegelt?«
    »Ja.«
    »Waren sie heute morgen noch alle verriegelt?«
    »Ja.«
    »Sie haben eine Zofe, die einen Liebhaber hat? Ich glaube, Sie haben gestern abend Ihrem Onkel gegenüber bemerkt, sie habe das Haus verlassen, um ihn zu treffen?«
    »Ja, und sie war diejenige, die uns im Salon bedient hat und vielleicht Onkels Bemerkungen über die Krone gehört haben könnte.«
    »Aha. Sie wollen damit andeuten, sie könnte hinausgegangen sein, um ihrem Liebhaber davon zu berichten, und daß die beiden den Diebstahl ausgeheckt haben könnten?«
    »Aber wozu sind denn all diese vagen Theorien gut?« rief der Bankier ungeduldig. »Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich Arthur mit der Krone in Händen gesehen habe!«
    »Bitte einen Augenblick, Mr. Holder. Darauf müssen wir noch zurückkommen. Was dieses

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