Die Abenteuer des Sherlock Holmes
war es unser Freund, der Finanzier. Ich war entsetzt von der Veränderung, denn sein eigentlich breit und massiv geschnittenes Gesicht war nun bedrückt und eingefallen, und sein Haar schien zumindest eine Nuance weißer geworden zu sein. Er trat mit einer Müdigkeit und Lethargie ein, die noch schmerzlicher anzusehen war als seine hektische Verzweiflung vom Vortag, und er ließ sich schwerfällig in den Lehnsessel fallen, den ich ihm hinschob.
»Ich weiß nicht, was ich getan habe, um diese schweren Prüfungen zu verdienen«, sagte er. »Es ist erst zwei Tage her, daß ich ein glücklicher und wohlhabender Mann ohne eine einzige Sorge war. Nun bleibt mir nur ein einsames und ehrloses Alter. Ein Kummer folgt dem anderen auf den Fersen. Meine Nichte Mary hat mich verlassen.«
»Verlassen?«
»Ja. Heute früh war ihr Bett unberührt, ihr Zimmer leer, und es lag ein Brief an mich auf dem Tisch in der Diele. Gestern Abend hatte ich ihr, im Kummer, nicht im Zorn, gesagt, wenn sie meinen Jungen geheiratet hätte, dann könnte mit ihm alles zum besten stehen. Es war vielleicht gedankenlos von mir, das zu sagen. Auf diese Bemerkung bezieht sie sich in diesem Brief:
Mein liebster Onkel – Ich weiß, daß ich diesen Kummer über Dich gebracht habe und daß, hätte ich mich anders verhalten, dieses schreckliche Unheil sich niemals würde ereignet haben. Mit diesem Gedanken im Herzen kann ich unter Deinem Dach nie wieder glücklich sein, und ich empfinde, daß ich Dich für immer verlassen muß. Sorge Dich nicht um meine Zukunft, denn für diese ist gesorgt; und vor allem: Such nicht nach mir, denn das wäre fruchtlose Mühe und für mich ein schlechter Dienst. Im Leben oder im Tode bleibe ich immer Deine Dich liebende
Mary
Was kann sie mit diesem Brief nur meinen, Mr. Holmes? Glauben Sie, er deutet auf Selbstmord hin?«
»Nein, nein, nichts Derartiges. Es ist vielleicht die beste mögliche Lösung. Ich bin sicher, Mr. Holder, daß Sie sich dem Ende Ihrer Schwierigkeiten nähern.«
»Ha! Das sagen Sie! Sie haben etwas gehört, Mr. Holmes; Sie haben etwas erfahren! Wo sind die Steine?«
»Sie würden tausend Pfund pro Stück nicht für eine übertriebene Summe halten?«
»Ich würde zehntausend pro Stück bezahlen.«
»Das wird nicht nötig sein. Dreitausend wird ausreichen, die Sache zu bereinigen. Und Sie hatten eine kleine Belohnung ausgesetzt, nicht wahr? Haben Sie Ihr Scheckbuch? Hier haben Sie einen Stift. Stellen Sie den Scheck besser über viertausend aus.«
Mit benommenem Gesichtsausdruck stellte der Bankier den verlangten Scheck aus. Holmes ging zu seinem Schreibtisch hinüber, nahm ein kleines dreieckiges Stück Gold mit drei Steinen darin heraus und warf es auf den Tisch.
Mit einem Freudenschrei griff unser Klient danach. »Sie haben es?« ächzte er. »Ich bin gerettet! Ich bin gerettet!«
Die Freudenreaktion war so leidenschaftlich wie sein Kummer gewesen war, und er drückte die wiedererlangten Steine an seinen Busen.
»Sie schulden noch etwas, Mr. Holder«, sagte Sherlock Holmes eher streng.
»Schulden!« Er griff nach dem Stift. »Nennen Sie die Summe, und ich will sie bezahlen.«
»Nein, nicht mir schulden Sie etwas. Eine sehr demütige Bitte um Vergebung schulden Sie diesem noblen Burschen, Ihrem Sohn, der sich in dieser Angelegenheit in einer Weise verhalten hat, die mich bei meinem Sohn mit Stolz erfüllte, wenn ich je zu einem Sohn käme.«
»Dann hat nicht Arthur die Steine genommen?«
»Ich habe Ihnen bereits gestern gesagt und wiederhole es nun, daß er es nicht war.«
»Sie sind dessen sicher! Dann lassen Sie uns schnell, sofort, zu ihm gehen, damit er erfährt, daß die Wahrheit uns bekannt ist.«
»Er weiß es bereits. Als ich alles aufgeklärt hatte, habe ich ein Gespräch mit ihm geführt, und da ich feststellte, daß er mir die Geschichte nicht erzählen wollte, habe ich sie ihm erzählt; daraufhin hat er zugeben müssen, daß ich recht habe, und er hat die wenigen Einzelheiten hinzugefügt, die mir noch nicht ganz klar waren. Die Neuigkeiten, die Sie heute früh erfahren haben, könnten allerdings seinen Mund Öffnen.«
»Um Himmels willen sagen Sie mir doch endlich, wie dieses außerordentliche Rätsel zu lösen ist!«
»Das werde ich tun, und ich will Ihnen die einzelnen Schritte zeigen, mit denen ich zur Lösung gelangt bin. Und lassen Sie mich Ihnen zunächst das sagen, was mir zu sagen und Ihnen zu hören am schwersten fallen wird. Es hat eine Übereinkunft
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