Die Abenteuer des Sherlock Holmes
Maschine schrieb, woraus sich schließen ließ, daß ihr seine Handschrift so vertraut war, daß sie sie sofort wiedererkennen würde. Wie Sie sehen, wiesen alle Tatsachen für sich genommen, zusammen mit vielen kleineren, in dieselbe Richtung.«
»Und wie haben Sie das alles überprüft?«
»Nachdem ich den Mann einmal ausfindig gemacht hatte, war es einfach, die Verdachtspunkte zu bestätigen. Ich wußte, für welche Firma dieser Mann arbeitet. Ich habe die gedruckte Beschreibung genommen und daraus alles gestrichen, was das Ergebnis einer Verkleidung sein könnte – Backenbart, Brille, Stimme –, und dann habe ich die Beschreibung an die Firma geschickt, mit der Bitte, mir mitzuteilen, ob diese Beschreibung auf einen ihrer Vertreter zutrifft. Die Eigentümlichkeiten der Schreibmaschine hatte ich bereits bemerkt, und ich habe dem Mann an seine Geschäftsadresse geschrieben und ihn gebeten, herzukommen. Wie erwartet, war seine Antwort mit der Maschine geschrieben und wies die gleichen nebensächlichen, aber charakteristischen Mängel auf. Mit der gleichen Post erhielt ich einen Brief von Westhouse & Marbank auf der Fenchurch Street, des Inhalts, daß die Beschreibung in allen Einzelheiten auf ihren Angestellten James Windibank zutrifft.
Voilà tout!
«
»Und Miss Sutherland?«
»Sie wird mir nicht glauben, wenn ich es ihr erzähle. Sie erinnern sich vielleicht an das alte persische Sprichwort ›Gefahr droht dem, der das Tigerjunge stiehlt, und Gefahr auch dem, der einer Frau ein Trugbild nimmt‹. Bei Hafis findet sich ebenso viel Vernunft wie bei Horaz, und genauso viel Weltklugheit.«
Das Rätsel von Boscombe Valley
Eines Morgens saßen meine Frau und ich beim Frühstück, als das Hausmädchen ein Telegramm hereinbrachte. Es kam von Sherlock Holmes und lautete so:
Haben Sie ein paar Tage übrig? Man hat eben aus Westengland nach mir gedrahtet, in Zusammenhang mit der Boscombe-Valley-Tragödie. Hätte Sie gern dabei. Luft und Landschaft wunderschön. Ab Paddington 11 : 15.
»Was meinst du dazu, Liebster?« fragte meine Frau. Sie sah mich über den Tisch hinweg an. »Wirst du fahren?«
»Ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll. Ich habe im Moment eine ziemlich lange Liste.«
»Oh, deine Arbeit kann doch Anstruther erledigen. Du siehst in letzter Zeit ein wenig bleich drein. Ich glaube, die Luftveränderung würde dir guttun, und du bist doch immer so sehr an Mr. Sherlock Holmes’ Fällen interessiert.«
»Wenn es anders wäre, wäre ich undankbar, vor allem, wenn ich sehe, was ich dank einem Fall gewonnen habe 16 «, antwortete ich. »Wenn ich aber fahren will, dann muß ich sofort packen, ich habe nur noch eine halbe Stunde.«
Meine Erfahrungen mit dem Lagerleben in Afghanistan hatten mich zumindest zu einem schnellen und zum Aufbruch bereiten Reisenden gemacht. Meine Bedürfnisse waren einfach und gering an der Zahl, und in weniger als der genannten Zeit befand ich mich mit meinem Koffer in einer Droschke, die zur Paddington Station ratterte. Sherlock Holmes wanderte auf dem Bahnsteig auf und ab; seine große, hagere Gestalt wurde von seinem langen grauen Reisemantel und der enganliegenden Tuchkappe noch hagerer und größer gemacht.
»Es ist wirklich sehr freundlich, daß Sie mitkommen, Watson«, sagte er. »Es läßt mich ganz anders an die Sache herangehen, wenn ich jemanden bei mir habe, auf den ich mich ganz verlassen kann. Was man am Ort an Hilfe bekommen kann, ist immer entweder wertlos oder voreingenommen. Wenn Sie die beiden Eckplätze freihalten, hole ich die Fahrkarten.«
Wir hatten das Abteil für uns allein und brauchten es nur mit einem ungeheuren Haufen von Zeitungen zu teilen, den Holmes mitgebracht hatte. Er las und blätterte darin, zwischendurch machte er sich Notizen und dachte nach, bis wir Reading hinter uns gelassen hatten. Dann rollte er sie plötzlich alle zu einem riesigen Ball zusammen und warf sie ins Gepäcknetz.
»Wissen Sie etwas über den Fall?« fragte er.
»Nichts. Ich habe seit Tagen keine Zeitung mehr gesehen.«
»Die Londoner Presse hat nicht sehr ausführlich darüber berichtet. Ich habe eben alle Zeitungen aus jüngster Zeit durchgesehen, um mich mit den Einzelheiten vertraut zu machen. Soweit ich bisher sehen kann, scheint das einer dieser einfachen Fälle zu sein, die so besonders schwierig sind.«
»Das klingt ein wenig paradox.«
»Es ist aber zutiefst wahr. Einzigartigkeit birgt fast immer einen Schlüssel. Je gewöhnlicher und
Weitere Kostenlose Bücher