Die Abenteuer des Sherlock Holmes
gesehen hatte, am Fuß der Treppe war, kann er kaum mehr als höchstens ein Helfershelfer bei dem Verbrechen gewesen sein. Er behauptet zu seiner Verteidigung, gar nichts zu wissen und keine Ahnung von dem zu haben, was sein Mieter Hugh Boone treibt, und außerdem keine Erklärung für die Anwesenheit der Kleider des vermißten Gentlemans zu haben.
So viel zum laskarischen Geschäftsführer. Nun zu diesem sinistren Krüppel, der im zweiten Stockwerk der Opiumhöhle wohnt und sicher der letzte Mensch war, der Neville St. Clair zu Gesicht bekommen hat. Er heißt Hugh Boone, und sein gräßliches Gesicht ist jedem bekannt, der häufig in die City geht. Er ist ein berufsmäßiger Bettler, wenn er auch, um die polizeilichen Vorschriften zu umgehen, einen kleinen Handel mit Wachsstreichhölzern vorschiebt. Wie Sie vielleicht bemerkt haben, findet sich, wenn man die Threadneedle Street ein Stückchen hinabgeht, linker Hand eine kleine Nische in der Mauer. Das ist der Stammplatz dieser Kreatur, wo er mit untergeschlagenen Beinen sitzt, den kleinen Vorrat an Streichhölzern im Schoß, und weil er ein erbarmungswürdiges Schauspiel abgibt, rieselt immer ein leichter Wohltätigkeitsregen in die schmierige Lederkappe, die vor ihm auf dem Pflaster liegt. Ich habe diesen Burschen mehr als nur einmal beobachtet, bevor ich je daran dachte, beruflich seine Bekanntschaft zu machen, und war immer überrascht, welche Ernte er in so kurzer Zeit einfährt. Sehen Sie, sein Äußeres ist so bemerkenswert, daß niemand an ihm vorübergehen kann, ohne ihn wahrzunehmen. Ein orangeroter Schopf, ein fahles Gesicht, das von einer fürchterlichen Narbe entstellt wird, die beim Zusammenwachsen die äußere Ecke seiner Oberlippe nach oben gedreht hat, ein Kinn wie eine Bulldogge, dazu ein Paar durchdringender dunkler Augen, die einen eigenartigen Kontrast zu seiner Haarfarbe bilden, all das hebt ihn aus der üblichen Menge von Bettlern heraus; das gleiche gilt übrigens für seinen Witz, denn er hat immer eine schlagfertige Antwort auf jede Hänselei, die ihm von den Vorübergehenden zugeworfen werden mag. Das ist der Mann, von dem wir nun wissen, daß er in der Opiumhöhle logiert, und daß er der letzte war, der den Gentleman gesehen hat, nach dem wir suchen.«
»Aber ein Krüppel!« sagte ich. »Was kann er denn allein gegen einen Mann im besten Alter ausgerichtet haben?«
»Er ist in dem Sinn ein Krüppel, daß er beim Gehen hinkt; in anderer Hinsicht scheint er jedoch ein kräftiger und gutgenährter Mann zu sein. Ihre medizinische Erfahrung kann Ihnen doch bestimmt sagen, Watson, daß die Schwäche eines Körperteils oft durch außergewöhnliche Stärke eines anderen wettgemacht wird.«
»Bitte, erzählen Sie weiter.«
»Mrs. St. Clair war angesichts des Bluts am Fenster ohnmächtig geworden, und sie wurde von der Polizei in einer Droschke nach Hause gebracht, da ihre Anwesenheit ihnen bei der Untersuchung nicht weiter helfen konnte. Inspektor Barton, der mit dem Fall befaßt war, hat das Gebäude sehr gründlich untersucht, ohne jedoch etwas finden zu können, das ein neues Licht in die Sache gebracht hätte. Man hat einen Fehler begangen, indem man Boone nicht augenblicklich verhaftet hat; so hat er einige Minuten gehabt, in denen er sich mit seinem Freund, dem Laskaren, absprechen konnte; dieser Fehler ist aber bald wiedergutgemacht worden, und man hat ihn festgenommen und untersucht, ohne allerdings etwas zu finden, das ihn belastet hätte. Es gab zwar ein paar Blutflecken an seinem rechten Hemdsärmel, aber er konnte seinen Ringfinger vorzeigen, in den er sich in Nähe des Nagels geschnitten hatte, und er hat erklärt, das Blut komme daher; außerdem sei er erst kurz zuvor am Fenster gewesen, und die dort bemerkten Flecke stammten sicherlich aus der gleichen Quelle. Er hat immer wieder geleugnet, jemals Mr. Neville St. Clair begegnet zu sein, und geschworen, die Kleider in seinem Zimmer seien für ihn ein ebenso großes Rätsel wie für die Polizei. Was Mrs. St. Clairs Behauptung angeht, ihren Mann im Fenster gesehen zu haben, so hat er erklärt, sie müsse entweder verrückt sein oder geträumt haben. Man hat ihn trotz seines lautstarken Protests zur Polizeistation verbracht, während der Inspektor an Ort und Stelle geblieben ist, in der Hoffnung, daß die Ebbe ihm einen neuen Hinweis brächte.
So geschah es auch, obwohl sie auf der Schlammbank kaum das gefunden haben, was sie zu finden fürchteten. Es war Neville St. Clairs
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