Die Abenteuer des Sherlock Holmes
Skrupel bei der Wahl Ihrer Mittel. Es scheint mir so, Ryder, als wären Sie aus dem Holz, aus dem man nette kleine Schurken macht. Sie wußten, daß dieser Homer, der Klempner, schon einmal die Finger in so einer Sache gehabt hat und deshalb um so schneller in Verdacht geraten würde. Was haben Sie dann getan? Sie haben irgend etwas im Zimmer von Mylady angerichtet – Sie und Ihre Spießgesellin Cusack – und dafür gesorgt, daß man nach Horner schickt, um es in Ordnung zu bringen. Als er wieder gegangen war, haben Sie die Schmuckschatulle geplündert, Alarm ausgelöst und diesen unglücklichen Mann verhaften lassen. Dann haben Sie …«
Ryder warf sich plötzlich auf den Teppich nieder und umklammerte die Knie meines Gefährten. »Um Gottes willen, seien Sie gnädig!« kreischte er. »Denken Sie an meinen Vater! An meine Mutter! Es würde ihnen das Herz brechen. Ich habe noch nie etwas Böses getan! Ich werde es nie wieder tun! Das schwöre ich. Ich schwöre es auf eine Bibel. Oh, bringen Sie es nur nicht vor Gericht! Um Himmels willen, tun Sie es nicht!«
»Zurück in Ihren Sessel!« sagte Holmes streng. »Sie können jetzt gut wimmern und zu Kreuze kriechen, aber Sie haben reichlich wenig Gedanken an den armer Horner verschwendet, der für ein Verbrechen auf der Anklagebank sitzt, von dem er nichts weiß.«
»Ich werde fliehen, Mr. Holmes. Ich gehe außer Landes, Sir. Dann wird die Anklage gegen ihn zusammenbrechen.«
»Hm! Darüber sprechen wir noch. Aber jetzt berichten Sie uns wahrheitsgemäß über den nächsten Akt. Wie kam der Stein in die Gans, und wie kam die Gans auf den freien Markt? Sagen Sie uns die Wahrheit; das ist Ihre einzige Hoffnung, ungestraft davonzukommen.«
Ryder fuhr sich mit der Zunge über die spröden Lippen. »Ich will es Ihnen erzählen, genau so, wie es sich abgespielt hat, Sir«, sagte er. »Als Homer verhaftet war, dachte ich, es wäre wohl das Beste, wenn ich mich mit dem Stein sofort davonmache; ich wußte ja nicht, ob nicht die Polizei es sich im nächsten Moment in den Kopf setzt, mich und mein Zimmer zu durchsuchen. Im Hotel wäre er nirgendwo sicher gewesen. Ich bin aus dem Hotel, als ob ich einen Auftrag zu erledigen hätte, und zum Haus meiner Schwester gegangen. Sie hat einen Mann namens Oakshott geheiratet und lebt in der Brixton Road, wo sie Geflügel für den Markt mästet. Den ganzen Tag hatte ich das Gefühl, jeder, dem ich begegne, ist ein Polizist oder Detektiv, und obwohl die Nacht kalt war, war ich schweißgebadet, als ich in der Brixton Road ankam. Meine Schwester fragte mich, was los ist, und warum ich so bleich bin; ich habe ihr aber gesagt, ich wäre nur aufgeregt über den Juwelendiebstahl im Hotel. Dann bin ich in den Hinterhof gegangen und habe eine Pfeife geraucht und überlegt, was ich wohl am besten tun sollte.
Ich hatte einmal einen Freund namens Maudsley, und der hat gerade seine Zeit in Pentonville abgesessen. Vor kurzem ist er mir begegnet und hat angefangen, mir über die Arbeit von Dieben zu erzählen, und wie sie die Sachen loswerden, die sie gestohlen haben. Ich wußte, daß ich mich auf ihn verlassen konnte, weil ich ein oder zwei Dinge über ihn weiß, deshalb habe ich mich dazu entschlossen, sofort nach Kilburn zu gehen, wo er wohnt, und ihn einzuweihen. Er würde mir bestimmt sagen, wie ich den Stein zu Geld machen kann. Aber wie sollte ich sicher zu ihm kommen? Ich dachte an die Ängste, die ich auf dem Weg vom Hotel durchgemacht hatte. Man konnte mich ja jeden Moment festnehmen und durchsuchen, und dann hätte ich den Stein in der Westentasche. Dabei stand ich die ganze Zeit an die Wand gelehnt und starrte auf die Gänse, die mir um die Füße watschelten, und dann hatte ich plötzlich eine Idee, wie ich auch den besten Detektiv schlagen könnte, den es je gegeben hat.
Ein paar Wochen vorher hatte meine Schwester mir gesagt, ich könnte mir als Weihnachtsgeschenk von ihr die Gans aussuchen, die ich haben wollte, und ich wußte ja, daß sie immer für ihr Wort einsteht. Ich würde mir die Gans jetzt schon nehmen, und sie sollte meinen Stein nach Kilburn tragen. Im Hof steht ein kleiner Schuppen, und hinter den habe ich einen der Vögel gejagt, ein schönes großes Tier, weiß, mit einem gestreiften Sterz. Ich habe sie gefangen, ihr mit Gewalt den Schnabel geöffnet und ihr den Stein in die Gurgel geschoben, soweit mein Finger reicht. Die Gans schluckt, und ich kann fühlen, wie der Stein durch den Hals nach unten in den Kropf
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