Die Abenteuer des Sherlock Holmes
führen. Holmes stieß die Tür zur Bar auf und bestellte zwei Glas Bier bei dem rotgesichtigen Wirt mit der weißen Schürze.
»Ihr Bier muß hervorragend sein, wenn es so gut ist wie Ihre Gänse«, sagte er.
»Meine Gänse!« Der Mann wirkte überrascht.
»Ja. Ich habe erst vor einer halben Stunde mit Mr. Henry Baker gesprochen, einem Mitglied Ihres Gänseclubs.«
»Ach so, ja, ich verstehe. Aber wissen Sie, Sir, das sind nicht unsere Gänse.«
»Tatsächlich? Wessen denn?«
»Also, ich hatte die zwei Dutzend von einem Händler in Covent Garden.«
»Tatsächlich! Ich kenne einige Händler dort. Wer ist es?«
»Er heißt Breckinridge.«
»Ah! Den kenne ich nicht. Na, auf Ihr Wohl, Herr Wirt, und auf gute Geschäfte. Gute Nacht!
Jetzt zu Mr. Breckinridge«, fuhr er fort, als wir wieder in die frostige Luft hinaustraten. Er knöpfte seinen Mantel zu. »Bedenken Sie, Watson, wenn wir an einem Ende dieser Kette auch etwas so Heimeliges wie eine Gans haben, am anderen ist ein Mann, der zweifellos sieben Jahre Zuchthaus bekommen wird, wenn wir nicht seine Unschuld beweisen können. Es ist möglich, daß unsere Nachforschung letzten Endes nur seine Schuld bekräftigt; in jedem Fall haben wir hier aber eine Richtung für Nachforschungen gefunden, die die Polizei übersehen und die ein einzigartiger Zufall uns in die Hand gespielt hat. Wir wollen ihr bis zum bitteren Ende nachgehen. Also, die Augen nach Süden, und Geschwindschritt – marsch!«
Wir durchquerten Holborn, nahmen die Endell Street und erreichten durch ein Gewirr von Elendsquartieren endlich den Markt von Covent Garden. An einem der größten Stände prangte der Name Breckinridge, und der Besitzer, ein Mann mit einem hageren Pferdegesicht und gepflegtem Backenbart, half gerade einem Jungen dabei, die Vorsetzläden anzubringen.
»Guten Abend. Kalt ist es«, sagte Holmes.
Der Händler nickte und warf meinem Gefährten einen fragenden Blick zu.
»Wie ich sehe, sind die Gänse ausverkauft«, fuhr Holmes fort; er wies auf die nackten Marmorplatten.
»Morgen früh können Sie fünfhundert kriegen.«
»Das ist zu spät.«
»Hm, es gibt noch welche an dem Stand mit dem Gaslicht.«
»Ja, aber man hat mir Sie empfohlen.«
»Wer?«
»Der Wirt vom ›Alpha‹.«
»Ach ja; dem habe ich ein paar Dutzend geschickt.«
»Und schöne Vögel waren das. Woher hatten Sie die denn bekommen?«
Zu meiner Überraschung bewirkte diese Frage einen Wutausbruch bei dem Händler.
»Also hören Sie, Mister«, sagte er, wobei er den Kopf schieflegte und die Fäuste in die Seiten stemmte, »worauf wollen Sie hinaus? Raus damit!«
»Das ist doch ganz einfach. Ich möchte wissen, wer Ihnen die Gänse verkauft hat, die Sie ans ›Alpha‹ geliefert haben.«
»Na schön, ich werde es Ihnen nicht sagen. Und jetzt?«
»Ach, die Sache ist völlig unwichtig; ich weiß nur nicht, weshalb Sie wegen so einer Nebensächlichkeit derartig in Hitze geraten.«
»Hitze! Vielleicht wären Sie auch so hitzig, wenn Sie deswegen dauernd so gelöchert würden wie ich. Wenn ich gutes Geld für einen guten Artikel bezahle, dann sollte es damit gut sein; aber dauernd heißt es ›Wo sind die Gänse?‹ und ›Wem haben Sie die Gänse verkauft?‹ und ›Was wollen Sie für die Gänse haben?‹ Man könnte fast meinen, das wären die einzigen Gänse in der Welt, so viel Wind wird deswegen gemacht.«
»Ich habe nichts mit anderen Leuten zu tun, die sich vielleicht danach erkundigt haben«, sagte Holmes wegwerfend. »Wenn Sie es uns nicht sagen wollen, kann ich meine Wette nicht gewinnen, das ist alles. Ich bin nämlich immer bereit, für meine Meinung über Geflügel etwas springen zu lassen, und ich habe einen Fünfer verwettet, daß der Vogel, den ich gegessen habe, auf dem Land gezogen wurde.«
»Dann haben Sie Ihren Fünfer verloren, er kommt nämlich aus der Stadt«, schnauzte der Händler.
»Das kann nicht sein.«
»Wenn ich es Ihnen doch sage.«
»Ich glaube Ihnen nicht.«
»Bilden Sie sich denn ein, Sie verstehen mehr von Geflügel als ich, wo ich mich doch damit auskenne, seit ich ein Laufbursche war? Ich sage Ihnen, alle Vögel, die ans ›Alpha‹ gegangen sind, stammen aus der Stadt.«
»Sie werden mich nie dazu bringen, Ihnen das abzunehmen.«
»Wollen Sie darauf wetten?«
»Ich will Ihnen nicht Ihr Geld aus der Tasche ziehen; ich weiß doch, daß ich recht habe. Aber ich will gern einen Sovereign gegen Sie setzen, nur, um Ihnen beizubringen, daß man nicht so stur sein
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