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Die Abenteuer des Sherlock Holmes

Die Abenteuer des Sherlock Holmes

Titel: Die Abenteuer des Sherlock Holmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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mich also?«
    »Nein, aber ich stelle fest, daß Sie die zweite Hälfte einer Rückfahrkarte in Ihrem linken Handschuh stecken haben. Sie müssen früh aufgebrochen sein, und außerdem hatten Sie schon eine längere Fahrt in einem kleinen Pferdewagen hinter sich, und zwar über schlechte Straßen, bevor Sie den Bahnhof erreicht haben.«
    Die Dame schrak heftig zusammen und starrte meinen Gefährten fassungslos an.
    »Daran ist nichts Geheimnisvolles, liebe gnädige Frau«, sagte er lächelnd. »Der linke Ärmel Ihres Jacketts ist an nicht weniger als sieben Stellen von Lehm bespritzt. Die Flecken sind ganz frisch. Außer einem kleinen einspännigen Jagdwagen gibt es kein Gefährt, das in dieser Weise Lehm aufwürfe, und dies auch nur dann, wenn Sie links neben dem Fahrer sitzen.«
    »Wie auch immer Sie darauf gekommen sind, Sie haben vollkommen recht«; sagte sie. »Ich bin vor sechs Uhr morgens von zu Hause aufgebrochen, war um zwanzig nach sechs in Leatherhead und habe den ersten Zug zur Waterloo Station genommen. Sir, ich kann diese Anspannung nicht länger ertragen, ich werde noch wahnsinnig, wenn dieser Druck weiter anhält. Ich habe niemanden, an den ich mich wenden könnte – niemanden, außer einem, und dieser arme Bursche kann mir nicht sehr viel helfen. Ich habe von Ihnen gehört, Mr. Holmes; Mrs. Farintosh, der Sie in der Stunde bitterster Not geholfen haben, hat mir von Ihnen erzählt. Von ihr habe ich Ihre Adresse bekommen. Oh, Sir, meinen Sie nicht, Sie könnten vielleicht auch mir helfen und zumindest ein klein wenig Licht in die tiefe Dunkelheit bringen, die mich umgibt? Gegenwärtig bin ich außerstande, Sie für Ihre Dienste zu entlohnen, aber in ein oder zwei Monaten werde ich verheiratet sein und über mein eigenes Einkommen selbst verfügen können, und spätestens dann werden Sie feststellen, daß ich nicht undankbar bin.«
    Holmes wandte sich seinem Schreibtisch zu, schloß ihn auf, zog das kleine Buch hervor, in dem er seine Fälle notierte, und konsultierte es.
    »Farintosh«, sagte er. »Ah ja. Ich erinnere mich an den Fall; er hatte mit einer Opal-Tiara zu tun. Ich glaube, das war vor Ihrer Zeit, Watson. Ich kann nur feststellen, Madame, daß ich Ihrem Fall mit Vergnügen die gleiche Sorgfalt widmen will wie dem Ihrer Freundin. Was eine Belohnung angeht, so birgt mein Beruf seine eigene Belohnung; es steht Ihnen jedoch frei, meine eventuell anfallenden Ausgaben zu einem Ihnen genehmen Zeitpunkt zu erstatten. Und nun ersuche ich Sie, uns alles darzulegen, was uns dabei helfen könnte, uns in dieser Angelegenheit eine Meinung zu bilden.«
    »Leider ist das eigentlich Grauenhafte an meiner Lage«, erwiderte unsere Besucherin, »daß meine Ängste so vage sind und daß mein Verdacht so völlig abhängig ist von Winzigkeiten, die einem anderen als unwichtig erscheinen können, so daß sogar der Mann, bei dem ich vor allen anderen mit Recht Rat und Hilfe suchen darf, alles, was ich ihm erzähle, als die Wahnvorstellungen einer nervösen Frau ansieht. Er sagt es nicht, aber ich kann es seinen besänftigenden Antworten und den abgewandten Augen entnehmen. Aber ich habe gehört, Mr. Holmes, daß Sie tiefen Einblick in die vielfältige Boshaftigkeit des menschlichen Herzens besitzen. Vielleicht können Sie mir raten, wie ich mich inmitten der mich umgebenden Gefahren verhalten soll.«
    »Sie haben meine ganze Aufmerksamkeit, Madame.«
    »Ich heiße Helen Stoner und wohne bei meinem Stiefvater, dem letzten Überlebenden einer der ältesten angelsächsischen Familien in England, der Roylotts aus Stoke Moran, an der Westgrenze von Surrey.«
    Holmes nickte. »Der Name ist mir bekannt«, sagte er.
    »Die Familie gehörte früher einmal zu den reichsten in England, und das Besitztum erstreckte sich über die Grenzen hinaus nach Berkshire im Norden und Hampshire im Westen. Im letzten Jahrhundert waren jedoch vier Erben nacheinander von verschwenderischem und liederlichem Wesen, und in der Zeit der Regentschaft 30 hat ein Spieler für den endgültigen Ruin der Familie gesorgt. Nichts ist übriggeblieben außer einigen
acres
31 an Boden und dem zweihundert Jahre alten Haus, das aber auch mit einer schweren Hypothek belastet ist. Der letzte Squire 32 hat dort sein Dasein gefristet und das schreckliche Leben eines verarmten Adligen geführt; aber sein einziger Sohn, mein Stiefvater, hatte begriffen, daß er sich den neuen Gegebenheiten anpassen mußte, und hat sich von einem Verwandten Geld vorschießen

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