Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
dasselbe Trinkgefäß mit allen zu teilen. Er musste an das denken, was César Santos erzählt hatte, über diesen Indianerstamm, der sich mit einem Virus infiziert hatte, weil ein Journalist einen Indianer an seiner Zigarette hatte ziehen lassen. Das Letzte, was er sich wünschte, war, seine in ihm schlummernden Krankheitserreger auf die Nebelmenschen zu übertragen, deren Immunsystem ihnen womöglich nichts entgegensetzen konnte, aber Nadia warnte ihn, dass die Krieger es als Beleidigung verstehen würden, wenn er ablehnte. Sie erklärte ihm, dass es masato war, eine Art Bier aus gekautem, mit Spucke versetztem und vergorenem Maniok, das nur von den Männern getrunken wird. Alex glaubte, er müsse kotzen, als er das hörte, traute sich aber nicht, das Angebot zurückzuweisen. Das Zeug schmeckte wie Essig.
    Wegen des Schlags auf seinen Kopf hatte Alex sowieso schon einen Brummschädel, und das masato tat ein Übriges, so dass er sich mühelos auf den Planet mit dem goldenen Sand und den sechs Monden an einem weißen Himmel versetzen konnte, den er im Camp von Mauro Carías gesehen hatte. Ihm war schwummrig,er fühlte sich vergiftet und hätte nicht einen Schritt mehr gehen können, aber zum Glück erwartete das niemand von ihm, denn auch die Krieger spürten den Alkohol, und bald lagen alle schnarchend auf der Erde. Wahrscheinlich würden sie erst weiterwandern, wenn es hell geworden war, und Alex versuchte sich mit der vagen Hoffnung zu trösten, seine Großmutter könne sie bei Tagesanbruch eingeholt haben. Er rollte sich auf dem Boden zusammen und überließ sich dem Schlaf, ohne auch nur einen Gedanken an die Geister der Albträume, an Feuerameisen, Vogelspinnen oder Schlangen zu verschwenden. Es erwachte auch nicht, als der Gestank der Bestie die Luft zu verpesten begann.
    ~
    Nur Nadia und Borobá waren nüchtern und wach, als die Bestie auftauchte. Der Affe war plötzlich wie zu Stein erstarrt, und Nadia konnte im Mondlicht gerade noch eine riesige Gestalt ausmachen, ehe sie das Bewusstsein verlor. Später sollte sie ihrem Freund das Gleiche erzählen wie Pater Valdomero: Es war ein Wesen, das aufrecht ging wie ein Mensch, etwa drei Meter groß, mit mächtigen Armen, die in gebogenen, wie Krummsäbel blitzenden Klauen endeten, und einem Kopf, der im Verhältnis zum übrigen Körper viel zu klein war. Nadia schien es, als bewege sich die Bestie sehr langsam, sie hätte aber trotzdem allen die Bäuche aufschlitzen können. Der Gestank, den sie verströmte – oder vielleicht auch die Todesangst, in die sie ihre Opfer versetzte –, wirkte wie ein lähmendes Gift. Bevor sie ohnmächtig wurde, hatte Nadia schreien wollen, wegrennen, konnte sich aber überhaupt nicht rühren; in ihrem Bewusstsein war das Bild des Soldaten aufgeblitzt, der wie ein Schlachtvieh aufgeschlitzt worden war, und sie konnte sich das Grauen des Mannes vorstellen, seine Hilflosigkeit und seinen fürchterlichen Tod.
    Alex erwachte völlig benommen und wusste erst gar nicht, wo er war und was passiert war, aber er zitterte am ganzen Körper, und das musste wohl von dem Gesöff kommen, das er gestern Abend getrunken hatte, außerdem hing dieser widerliche Gestank in der Luft. Er sah zu Nadia hinüber, die im Schneidersitz dasaß und insLeere starrte, während Borobá in ihrem Schoß kauerte. Auf allen vieren kroch Alex zu ihr hinüber, musste würgen, unterdrückte es aber, so gut er konnte.
    »Ich habe sie gesehen, Jaguar«, sagte Nadia wie in Trance. Ihre Stimme schien von weit her zu kommen.
    »Wen hast du gesehen?«
    »Die Bestie. Sie war da. Sie ist unheimlich groß, ein Riese …«
    Alex hielt es nicht länger aus, schleppte sich hinter einen Farn und übergab sich, was ihn ein bisschen erleichterte, auch wenn ihm von der verpesteten Luft gleich wieder schwindlig wurde. Als er hinter den Büschen hervorkam, waren die Krieger fertig zum Aufbruch. Im Licht des anbrechenden Tages konnte er sie zum ersten Mal deutlich sehen. Sie wirkten genauso furchterregend, wie Leblanc sie beschrieben hatte: Sie waren nackt, am ganzen Körper mit roter, schwarzer und grüner Farbe bemalt, um die Oberarme hatten sie Federn gebunden, ihr Haar war kreisrund abgeschnitten und oben auf dem Schädel ausrasiert wie eine Mönchstonsur. Über der Schulter trugen sie einen Bogen, einen Köcher mit Pfeilen und eine kleine Kalebasse, die mit einem Stück Leder abgedeckt war und das tödliche Pfeilgift Curare enthielt, wie Nadia ihm später erklärte. Einige hielten

Weitere Kostenlose Bücher