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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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ihm hoch, reichte ihm eine Kalebasse mit Wasser, und er trank zögernd einen Schluck. Inzwischen hatten sich seine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt: Die Indianer standen in einem engen Kreis um ihn und Nadia, beobachteten sie und machten irgendwelche Bemerkungen. Es sah nicht so aus, als hätten sie Angst, dass jemand sie hören könnte. Die übrigen Expeditionsteilnehmer würden bestimmt nach ihm und Nadia suchen, sich aber mitten in der Nacht nicht weit in den Urwald hinein wagen. Seine Großmutter! Jetzt würde sie es doch einmal mit der Angst zu tun bekommen. Wie sollte sie ihrem Sohn John klarmachen, dass sie ihren Enkel mitten im Dschungel verloren hatte? Offensichtlich waren die Indianer mit Nadia sanfter umgegangen, jedenfalls schien sie sich vor ihnen nicht zu fürchten. Alex spürte etwas Warmes, das an seiner rechten Schläfe hinunterrann und auf seine Schulter tropfte. Er fuhr mit dem Finger durch und leckte ab.
    »Sie haben mir den Schädel gespalten«, flüsterte er erschrocken.
    »Tu so, als würdest du es nicht spüren, Jaguar, wie ein richtiger Krieger.«
    Das sollte wohl heißen, dass die Indianer einen Beweis für seinen Mut brauchten: Er zwang seine Beine, nicht so zu schlottern, und stand auf, dann reckte er sich und trommelte mit den Fäusten gegen seine Brust, wie er das in den Tarzanfilmen gesehen hatte, wobei er einen nicht enden wollenden Schrei ausstieß. Verdutzt wichen die Indianer einige Schritte zurück und fuchtelten mit ihren Waffen. Er wiederholte die Trommelschläge und das Brüllen und war sich sicher, in den feindlichen Reihen für Unruhe zu sorgen, aber anstatt erschrocken die Beine in die Hand zu nehmen, fingen ein paar von den Kriegern an zu lachen. Auch Nadia kicherte, und Borobá hüpfte herum, bleckte die Zähne und kriegte sich nicht mehr ein. Jetzt lachten sie alle, und das lauthals, einige ließen sich auf den Hintern fallen, andere kugelten auf dem Boden herum, und ein paar ahmten ihn nach und stießen nun ihrerseits Tarzanschreie aus. Er kam sich unglaublich bescheuert vor, aber die hörten überhaupt nicht mehr auf zu lachen, und schließlich ließ er sich davon anstecken und lachte mit. Irgendwann hatten sich alle wieder beruhigt, trockneten sich die Tränen und klopften einander kameradschaftlich auf die Schulter.
    Einer der Indianer fiel auf, weil er eine Art Krone aus Federn trug, der einzige Schmuck an seinem nackten Körper, außerdem war er noch kleiner als die anderen und schien auch viel älter zu sein, obwohl sich Alex da im Dunkeln nicht ganz sicher war. Er begann auf sie einzureden. Obwohl die Nebelmenschen ihre eigene Sprache hatten, war Nadia überzeugt, sich irgendwie mit ihnen verständigen zu können; jedenfalls reichten die Wörter, die sie aus anderen Indianersprachen kannte, um sich zusammenzureimen, worüber der Mann mit der Federkrone sprach. Sie flüsterte Alex zu, dass es um den Rahakanariwa ging, den Geist des menschenfressenden Vogels, den Walimai erwähnt hatte, außerdem um die Nahab, also um die Fremden, und um einen mächtigen Schamanen. Sein Name wurde zwar nicht genannt, das wäre ja auch sehr unhöflich gewesen, aber Nadia meinte, dass er von Walimai sprach. Sie suchte nach Worten, trat einen Schritt auf den Mann zu, der offensichtlich der Häuptling war, und zeigte ihm den geschnitztenKnochen, den sie um den Hals trug, das Geschenk des Zauberers. Er betrachtete den Talisman eingehend, nickte bewundernd, fast ehrfürchtig, dann sprach er weiter, diesmal aber an seine Krieger gewandt, die einer nach dem anderen zu Nadia kamen und das Amulett berührten.
    Als der Häuptling schwieg, setzten sich alle im Kreis, die Indianer unterhielten sich miteinander und reichten gebackene Teigfladen herum. Alex merkte, wie hungrig er war, er hatte schon ziemlich lange nichts mehr gegessen; als er an der Reihe war, schlang er seinen Teil von dem Abendessen herunter, ohne auf den Dreck zu achten, der daran pappte, und ohne zu fragen, was das eigentlich war; in grauer Vorzeit war er vielleicht wählerisch mit dem Essen gewesen. Dann ging eine Tierblase von Hand zu Hand, die mit einer klebrigen, scharf riechenden Flüssigkeit gefüllt war, und die Indianer stimmten einen Singsang an, der, wie Nadia sagte, die Geister verscheuchen sollte, die in der Nacht Albträume verursachen. Nadia boten sie das Gebräu nicht an, aber sie waren so freundlich, es mit Alex zu teilen, der den Geruch kein bisschen verlockend fand und schon gar nicht die Vorstellung,

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