Die Abenteuer von Sherlock Holmes
Ankleidezimmers
eingeschlossen hatte. Nun ein Wort zu meinem Haushalt, Mr. Holmes, denn ich möchte, daß Sie meine Lage von Grund auf verstehen. Mein Diener und mein Page schlafen außer Haus und können ganz aus dem Spiel bleiben. Ich habe drei Dienstmädchen, die schon eine Reihe von Jahren bei mir sind Ihre absolute Vertrauenswürdigkeit steht über allem Zweifel. Ein weiteres Mädchen, Lucy Parr, die zweite Aufwärterin, befindet sich erst seit einigen Monaten bei mir in Dienst.
Sie ist mit einem ausgezeichneten Zeugnis angetreten und ich war immer zufrieden mit ihr. Sie ist ein sehr schönes Mädchen und zieht Bewunderer an, die manchmal um das Haus wimmeln. Das ist der einzige Nachteil, den wir an ihr finden konnten, glauben aber übrigens, daß sie ein durch und durch anständiges Mädchen ist.
Soviel zu meiner Dienerschaft. Meine Familie selbst ist so klein, daß es nicht viel Zeit in Anspruch nehmen wird, sie vorzustellen. Ich bin Witwer und besitze nur einen Sohn, Arthur. Er hat mich enttäuscht, Mr. Holmes, tief enttäuscht. Dafür trage zweifellos ich die Verantwortung. Man sagt, ich hätte ihn verwöhnt, und sehr wahrscheinlich stimmt das. Als meine gute Frau starb, war er das einzige, dem ich meine Liebe schenken konnte. Ich ertrug es nicht, daß das Lächeln auch nur für eine Sekunde aus seinem Gesicht wich.
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Nie habe ich ihm einen Wunsch unerfüllt gelassen. Vielleicht wäre es für uns beide besser gewesen, wenn ich ihn strenger angefaßt hätte, aber ich habe das Beste gewollt. Natürlicherweise gingen meine Pläne dahin, ihn zu meinem Nachfolger in der Bank zu machen, aber er hatte keinen Sinn fürs Geschäftliche. Er ist ungezügelt, unzuverlässig und - um die Wahrheit zu sagen - ich konnte ihm den Umgang mit großen Summen Geldes nicht anvertrauen. In jungen Jahren wurde er Mitglied eines aristokratischen Clubs und da er sehr charmant ist, intimer Freund von Männern mit dicken Brieftaschen und kostspieligen Gewohnheiten. Er lernte hoch spielen und Geld auf den Rennplätzen vergeuden und es kam dahin, daß er wieder und wieder mich bitten mußte, ihm einen Vorschuß auf seine Bezüge zu geben, damit er seine Ehrenschulden bezahlen konnte. Mehr als einmal hat er versucht, sich aus der für ihn so gefährlichen Gesellschaft zu lösen, aber immer war der Einfluß seines Freundes, Sir George Burnwell, stark genug, ihn zurückzuziehen. Und ich brauche mich wirklich nicht zu wundern, daß ein Mann wie Sir George Burnwell Einfluß auf meinen Sohn gewinnen konnte, denn er hat ihn öfter mit nach Hause gebracht und ich selbst vermochte kaum, seinem Charme zu
widerstehen. Er ist älter als Arthur, ein Mann von Welt bis in die Fingerspitzen, einer, der überall gewesen ist, alles gesehen hat, ein brillanter Unterhalter und er ist ein schöner Mann. Doch wenn ich mit kühlem Kopf an ihn denke, entfernt vom Zauber seiner Gegenwart und mich an seine zynischen Reden erinnere, an den Ausdruck, den ich in seinen Augen entdeckte, bin ich davon überzeugt, daß man ihm gründlich mißtrauen sollte. So denke ich und so denkt auch meine kleine Mary, die mit dem Scharfblick einer Frau den wahren Charakter zu enthüllen versteht. Nun bleibt nur noch, sie zu beschreiben. Sie ist meine Nichte, doch ich habe sie adoptiert, als mein Bruder vor fünf Jahren starb und sie allein in der Welt stand. Seitdem sehe ich sie als meine Tochter an. Sie ist der Sonnenschein meines Hauses - süß, liebevoll, schön, eine wunderbare Hausherrin und Haushälterin, dabei feinfühlig, ruhig und zart, wie nur eine Frau sein kann. Sie ist meine rechte Hand. Ich weiß nicht, was ich ohne sie anfangen sollte. Nur in einem hat sie sich gegen meinen Wunsch gestellt. Zweimal hat mein Sohn sie gebeten, ihn zu heiraten, denn er liebt sie von Herzen, aber jedesmal hat sie ihn abgewiesen. Ich glaube, wenn ihn jemand auf den rechten Weg hätte zurückführen können, dann wäre sie es gewesen, eine Heirat mit ihr hätte sein ganzes Leben verändert. Aber nun ist es leider zu spät - für immer zu spät. Jetzt, Mr. Holmes, kennen Sie die Menschen, die unter meinem Dach leben und ich kann
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mit meiner unglückseligen Geschichte fortfahren. Als wir an jenem Abend im Salon nach dem Dinner Kaffee tranken, erzählte ich Arthur und Mary von meinem Erlebnis und von dem Schatz, den wir
beherbergten. Nur den Namen des Kunden behielt ich für mich. Lucy Parr, die den Kaffee serviert hatte, war schon aus dem Zimmer gegangen - dessen
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