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Die Abrichtung (German Edition)

Die Abrichtung (German Edition)

Titel: Die Abrichtung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens van Nimwegen
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flüstere ihm ins Ohr: «Leider ist das Schlagwerk jetzt aus dem Tritt. Ich muss noch dreimal an der Schnur ziehen; aber das wird nicht so schlimm!» Ich ziehe, und es schlägt nacheinander eine, zwei und drei Viertelstundenmelodien mit dem linken Gewicht. «Jetzt stimmt es wieder, gerade noch rechtzeitig, damit die Uhr gleich ordentlich Mitternacht schlagen kann. Bis morgen! Mach’s gut und halt’ dich steif!»
    Diese Form der Strafe war heute möglich, weil das mittlere Gewicht tief genug hing. Wenn die Uhr gerade erst aufgezogen worden wäre, hätte ich mir etwas anderes ausdenken müssen.
    Das Schwein soll ein paar Stunden das Kriechen des Zeigers beobachten, der alle fünfzehn Minuten und vor allem zu jeder vollen Stunde seine Qual sprunghaft vergrößert. In Zukunft wird es zum Treppenhaus mit den Ringen in der Wand ein ganz besonderes Verhältnis haben.
    Nach zwei Uhr wird das Stöhnen lauter. Ich komme hinzu und schaue es mir ein paar Minuten an, dann streichle ich das Schwein und befreie es langsam. Beim Entfernen der Brustwarzenklemmen schreit es laut auf und noch lauter, als ich seine Nippel mit den Fingerknöcheln massiere, um die Blutzirkulation wieder in Gang zu bringen. «Du bist ein tapferes Schwein. Komm jetzt, wir wollen schlafen.»

Tiergarten  
    Jedes Jahr im August pflege ich für eine Woche nach Berlin zu fahren. In diesem Jahr, der Wetterbericht kündigt Andauern der Hitzewelle an, werde ich das Schwein mitnehmen. Ich befehle ihm, mein Gepäck ins Auto zu bringen und sich nackt hinter das Steuer zu setzen. «Du brauchst kein Gepäck. Du wirst nackt sein, bis wir wieder zu Hause sind. Ich habe deinen Führerschein und werde für alles Nötige sorgen.» – Der Gedanke an eine Woche Nacktheit in der unbekannten Großstadt ist für das Schwein sichtlich erregend.
    Unterwegs halten wir vor einem Landgasthaus und ich esse zu Mittag. Die Reste der übergroßen Portion lasse ich mir einpacken «für mein Schwein», das sie auf dem nächsten Waldparkplatz essen darf.
    In Berlin kommen wir am späten Nachmittag an. Ich weise den Weg zum Tiergarten und lasse an der bekannten Stelle nahe der Siegessäule parken. Auf der Straße ist wegen der Hitze kaum ein Mensch. «Raus! In den Park!» – Das Schwein schaut sich um, gibt sich dann einem Ruck und steigt aus. Es hat schon gelernt, meine Verantwortung für sein Tun und Lassen bedingungslos zu akzeptieren.
    Wir durchqueren das Gebüsch, überqueren zwei Wege und sind auf der Wiese, auf der sich bei gutem Wetter Dutzende nackter Männer sonnen. Sie liegen einzeln, zu zweit oder in Grüppchen auf Handtüchern, Bastmatten oder einfach auf ihrem Hemd. Manche haben eine ganze Ausrüstung mit: Essen, Trinken, Sonnenöl, Sonnenschirm, Musikspieler, Dackel, Neue Post. Andere haben nichts dabei und sind vielleicht einfach auf dem Weg von der Arbeit hiergeblieben. Dies ist kein umzäuntes Gelände eines eingetragenen FKK-Vereins, sondern ein typisches Stück Berliner Tiergarten; ab und zu kommt eine Witwe mit Einkaufstasche und ihrer Töle vorbei, ein Pärchen mit Kinderwagen oder eine Gruppe ausländischer Geschäftsleute. Niemand scheint sich zu wundern.
    Wir lassen uns nieder und ruhen uns von der Fahrt aus. Für das Schwein ist dies etwas Neues, mitten in der Stadt, nicht an einem entlegenen Flussufer. Ungläubig starrt es den Spaziergängern nach, bis sich seine Aufmerksamkeit mehr auf die um uns liegenden Männer richtet. Die bleiben nicht alle untätig liegen: ab und zu schlendern welche ins Gesträuch und kommen erst nach einiger Zeit wieder zurück.
    Die Sonne beginnt zu sinken. Noch immer ist es sehr warm, und hier mitten in der Stadt wird es die ganze Nacht nicht abkühlen. Als ich hungrig werde, stehe ich auf und ziehe mich an: «Ich gehe jetzt ins Hotel, duschen, und danach mit Freunden zum Abendessen. Bis morgen.» – «Aber, Herr …» – Das Schwein will aufspringen, aber ich setze rechtzeitig meinen Stiefel auf seine edlen Teile. «Du bleibst hier. Meinst du, mit dir könnte ich mich im Hotel sehen lassen? Du bleibst überhaupt die ganze Zeit hier. Morgen bringe ich dir was zu fressen. Ich erwarte, dass du immer hier auf dieser Wiese bist, wenn ich komme. Ich werde keine Minute auf dich warten, wenn ich dich nicht sehe.» – «Herr, wie lange …» – «Lass das meine Sorge sein!» Ich reibe noch einmal mit der Stiefelsohle über seine Weichteile und gehe dann zum Auto. Das Schwein hat keine Ahnung, wo ich in Berlin wohne und kennt auch die

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