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Die Abrichtung (German Edition)

Die Abrichtung (German Edition)

Titel: Die Abrichtung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens van Nimwegen
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Kreuznach» und ist zum ersten Mal in Berlin. Sein Leder ist ganz neu und sah bis gestern auch so aus. Er hatte natürlich erst geglaubt, dass das Schwein hier irgendwo ein Zimmer hätte, aber er will trotzdem wiederkommen. Ich habe nichts dagegen, dass hier eine Sommerfreundschaft entsteht, schärfe dem Schwein aber ein, dass es unbedingt auf die Kleiderordnung achten muss.
    Im Laufe der Tage wird das Schwein immer brauner, aber auch immer schmutziger. Seine Haare drohen zu verfilzen. Wir werden sie wirklich eines Tages abschneiden müssen.
    Auch wird das Schwein immer geiler und schamloser. Das kommt natürlich von der gesunden Lebensweise: frische Luft, Bewegung, Champagner, rohes Fleisch, Konzentration auf das Wesentliche. Wenn es mich kommen sieht, beginnt es sich lasziv zu winden und streckt mir stöhnend seine Geschlechtsteile entgegen in Erwartung der Stiefelsohle. Oder es kniet schon mit offenem Mund und züngelnder Zunge. Manchmal ist der junge Ledermann morgens auch da, manchmal nicht.
    Jeden Tag verbringen wir Stunden zusammen in der Sonne, dann bepisse ich das Schwein und lasse es wieder allein.

Rückfahrt  
    Nach sieben Nächten bringe ich nicht das gewohnte Frühstück, sondern Wasser und Brot. «Wir fahren.» – Das Schwein trinkt und isst und folgt mir dann zum Auto. Dass die Leute auf der Straße glotzen, fällt ihm gar nicht auf.
    An einer Ausfallstraße steht ein Anhalter mit einem Schild, das unsere Stadt als sein Ziel angibt. Es ist ein junger Punker, vielleicht gerade achtzehn, in Stiefeln, engen, bunt bemalten Jeans, aus deren Rissen die Knie hervorschauen, einem tief ausgeschnittenen grauen Unterhemd, viel zu vielen gold- und silberfarbigen Strasskettchen und einem orange gefärbten Hahnenkamm auf seinem ansonsten kahl geschorenen Schädel. An seinem linken Ohr glitzern mindestens zehn Ringe. Ich befehle dem Schwein anzuhalten und öffne die hintere Tür: «Komm!» Dem Jungen fallen beinahe die Augen aus dem Kopf, aber er fasst sich ein Herz und steigt ein. Die ganze Fahrt über sagt er kein Wort.
    Auf der Autobahn knete ich den Knüppel meines Chauffeurs und sorge dafür, dass er während der ganzen Reise steif bleibt. Nach einiger Zeit sehe ich aus den Augenwinkeln, wie der Punker auf dem Rücksitz nach links rutscht und vorsichtig den Rücken des Schweins zu streicheln beginnt. Eine Stunde später hat er es von hinten umarmt und ist eingeschlafen, das Gesicht in den Nacken des Schweins geschmiegt. Ab und zu scheint er leise zu weinen.
    Zuhause angekommen, frage ich den Jungen, wo er hin will. «Ich weiß es nicht.» – «Hast du denn niemanden hier in der Stadt?» – «Nein. Meine Oma wohnte hier, aber die ist tot.» – «Warum wolltest du dann hier hin?» – «Weil es hier immer schön war. Vielleicht finde ich Arbeit.» – «Als was?» – Er zuckt die Schultern und dreht sich um. – «Komm’ mal vorbei», rufe ich ihm nach. Durch Löcher in seinem Hosenboden sieht man ein Stück von jeder Arschbacke. Gepäck hat er nicht bei sich, abgesehen von einem Lederbeutel an seinem Gürtel. Wahrscheinlich enthält er das Nötige für seinen Hahnenkamm.

Zivilisation  
    Das Schwein hat jetzt lange genug in Freiheit gelebt. Damit es sich wieder akklimatisiert, schließe ich es in schwere Ketten, Hand- und Fußschellen und lasse es, nackt und stinkend wie es ist, auf dem Fußboden vor meinem Bett die Nacht verbringen. Ein paarmal werde ich durch sein Geklirr geweckt und streichle es oder gebe ihm eins mit der Peitsche. Am Morgen, nachdem es seine Pflicht getan hat, stelle ich es unter die Dusche und seife es von oben bis unten gründlich ab. Für den Unterleib allein brauche ich beinahe eine halbe Stunde. Auch die verfilzten Haare bedürfen besonderer Zuwendung, bis sie wieder als engelhafte Locken um sein Gesicht fallen. Vorläufig will ich sie ihm noch lassen.
    In den Tagen, die auf das tierische Leben folgen, will ich von einem besonders zivilisierten Schwein umgeben sein. Sein Anzug besteht aus dem Seidenhemd, den allerengsten langen Jeans, zwei silberbesetzten Gürteln, von denen einer locker um die Hüften liegt, und einigen silbernen Halsketten verschiedener Länge. Das offene Hemd lässt die braune Brust besonders gut zur Geltung kommen. Das Schwein läuft nun am liebsten barfuß; ich lasse ihm seinen Willen. Es sieht aus wie der Lustknabe eines reichen alten Kunsthändlers, und wenn wir zusammen Ausstellungen besuchen, ernten wir bewundernde Blicke.
    Eine einzige Woche

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