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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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wenig gab.

    Feuer verstand nicht, wie man Mensch sein wollen konnte. Er hätte lieber zu den Freunden mit Fell gehört und folglich, nahm er an, zu den Gente.
    Es gab sehr viel zu lernen.
    »Ich sehe schon«, die Schnurrhaare des ältesten der Freunde zitterten, als habe er Witterung von Leckerem aufgenommen, »daß du dich fragst, welche Lehre aus dem, was wir über die Vergangenheit wissen, zu ziehen ist. Du wirst staunen: Ich weiß es nicht. Niemand weiß es – man ahnt bloß viel und muß damit dann arbeiten. Ich selber hab nur ein eisernes Gesetz gefunden, in den Berichten versteckt: Es ist sehr gefährlich, eine Ordnung abzuschaffen – selbst die Ordnung der Langeweile –, bevor man seinen Frieden mit dem Gedanken gemacht hat, daß es nichts nützt, diese Ordnung zu vermissen, wenn sie erst einmal zerschlagen ist. Die Ereignisse in Atalanta und Niobe bestätigen das, hübsch häßlich. Wir können dir nur zeigen und erzählen, was sich darauf reimt, begreifen mußt du es selber. Du bist klüger als wir, wir wissen nur mehr als du. Noch.«

    Feuer lernte, wie man, wenn man Feuer war – andere konnten das nicht –, unverbrannten Fußes durch die Lavaströme ging, wie man die bunten Härchen auf dem Rücken aufstellen und als silberne Nadeln verschießen konnte, wie man manchmal wußte, was andere dachten, wie man spüren konnte, daß Leute aus anderen Leuten zusammengesetzt waren und immer weitere Zirkel zogen, als Spiralen dessen, was sie waren und wie sie dachten und träumten. Feuer lernte, was Geduld war: Sie sagen mir immer noch nicht mehr über meine Aufgabe, und ich muß das aushalten.
    Er wußte: Wenn es soweit sein wird und ich aufbreche, kehre ich vielleicht nie zurück. Das tat auf eine Art und Weise ein ganz kleines bißchen weh, die ihm gefiel.
    Einer der Freunde mit Fell redete, wenn Feuer nach der Aufgabe fragte, immer vom »Plan«: »Du bist ein Junge, dann wirst du ein Mann, dann eine Frau und dann ein Mädchen, das ist der Plan. Das passiert alles unterwegs, im Zug der Reise.« Der Pelz dieses Freundes war eisgrau war bis auf die Ohren, unter denen grüne Härchen büschelweise nach allen Seiten abstanden.
3. Der Vasch
    Zu festen Zeiten, in immergleichen Abständen, die für Feuer allerdings im Lauf der Wochen zu schrumpfen schienen, besuchte ihn in der großen Halle, wo die meisten lichtbelebten Oberflächen waren, der Vasch.
    Vor dem Vasch hatten die Freunde mit Fell große Achtung. Auch Feuer lernte, ihn zu respektieren, denn der Vasch wußte alles übers Kochen, übers Essen, über die Gesundheit und das Lebendigsein.
    Der Vasch hieß Wempes, war lang und schlank, mit muskulösen Beinen, sein Körper lag fast waagerecht auf den Oberschenkeln. Seine Augen hatten schwarze Ränder, sein Maul war breit, die Zähne blitzten spitz und klein. Alle Vaschen, von denen Feuer je erfuhr, lebten jenseits der Landestelle der alten Schiffe, auf dem unfesten Grund, in den blasenwerfenden, bleigrauen Sumpfmarschen.
    Jeder mochte die Vaschen, selbst die Salamander.

    Als der Vasch Wempes Feuer die Baupläne der alten Arten gezeigt hatte, kam Feuer ganz allein darauf, wie die Vaschen komponiert worden waren: »Dein Leib, das Eigentliche – das waren früher die Seeleoparden, in den kälteren Meeren, auf der alten Welt, richtig? Und die Beine, das sind stärkere Varianten von Vogelbeinen, Großlaufvogelbeinen.«
    »Strauße hatten solche wie ich, das ist wahr.«
    Der Vasch besuchte Feuer als, wie die Freunde mit Fell sagten, »Gastdozent« im Fach Biologie. Manchmal kochten sie auch zusammen, etwa Fleisch von Sprachlosen aus den Tunnelsystemen des Ultimervulkans.

    »Was du zuerst verstehen mußt, ist die Evolution«, mahnte der Vasch, als Feuer, unwillig, ihm zuzuhören, lieber mit den Plastahlmodellen der Gente und Menschen spielte, die der Vasch ihm mitgebracht hatte.
    »Evolution verstehen, pfffps. Wir können ja doch nichts dran machen.« Damit meinte Feuer, daß sehr vieles verlorengegangen war, was die Gente besessen hatten: Die Technik der ambulanten Züchtungen, die metamorphischen und proteischen Nanoniken ... Alles, was die Tatsachen der Evolution aus der Naturgeschichte in die Geschichte geholt hatte, war zwar in Datenbanken noch vorhanden, konnte aber auf der Welt, die Feuer bewohnte, kaum angewandt werden, weil – ja, warum eigentlich?
    »Ah, nichts dran machen, richtig, Junge. Aber was sind die Gründe dafür, hier bei uns?« fragte der Vasch herausfordernd und zog die Oberlippe

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