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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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lohnte. Es roch gut. Der Mund schnappte es sich wieder, kaute und ließ es fallen. Der Mensch konnte das vier- oder fünfmal machen, ohne zu einem Schluß zu kommen. Andere Menschen auf den lichtbelebten Oberflächen taten ähnliches; ganz heillos. Schnüffeln, kauen, spucken.
    Feuer lachte.

    Der älteste unter den Freunden mit Fell knurrte; er fand die Heiterkeit des Prinzen einen schlechten Platzhalter für Furcht, Schrecken und Mitleid.
    Da saß ein Mensch mit verklebtem Haar, hängenden Brüsten und ging schaurig um mit etwas, das auf dem Tisch lag – »Präg es dir ein, das Dokument der Narrheit, Nacktheit, Gewalt, des Leidens der Menschen, die nach ihrer Wiedergeburt auf Befehl der schlimmen Hebamme Katahomenleandraleal keine Sprache mehr hatten und keine Welt.« Der Mensch, der da ein nicht fertig geborenes Menschenjunges, das gestorben war, beschnüffelt hatte und bekaut, besaß weniger Verstand als die Läuse, die sich einmal, während eines langen Herbstes, in Feuers Haar und Rückenpelz festgesetzt hatten und von den Freunden mit Fell nur unter großen Mühen daraus entfernt worden waren.
    Feuer zog die Brauen kraus: Wenn das nicht lustig war, was war es dann?
5. Von Myxamobae zu Myxamobae
    »Gibt es noch Menschen? Wo sind sie? Woher werden sie kommen, wenn sie mich töten wollen?« wollte Feuer wissen.
    »Auf der alten Welt, von der alles kommt, was du kennst. Ich vermute, sie sind dort wieder viele, nachdem sie einmal fast ganz ausgerottet gewesen waren«, sagte eine junge Freundin mit Fell.
    »Warum waren sie fast ganz ausgetrottet?« fragte Feuer.
    Die Freundin führte Feuer zur kleinsten lichtbelebten Oberfläche in Feuers Zuhause. Die war zwar längst nicht so hochauflösend wie jene in den alten Schiffen, man konnte damit indes einiges zeigen.
    Zunächst aber blieb sie blind. Die Freundin erklärte: »Die allerersten Mutmaßungen, als es ... geschehen war und die Menschen fast ... vertilgt waren, gingen dahin, daß die Menschen vielleicht keine Liebe gehabt hätten. Keinen Zug zum Schönen, keine ... Aber die Forschung ergab, daß das Schöne, und der Mangel am Schönen, bei den Menschen ganz dieselben Empfindungen und ... Bewegtheiten wie bei uns ausgelöst hat, wie überhaupt bei allen, die Sprache haben: den Drang zur Schöpfung, das Bemühen um den Erhalt, die Wertschätzung, das Verlangen, die Lust am Erwerb, sogar die Lust an der Zerstörung, denn die Werte selbst haben ja ein Magnetfeld um sich, das auch die Zerstörung anzieht.«
    »Wenn es aber der Mangel an Liebe nicht gewesen ist, was die Menschen hat scheitern lassen, wie haben ...«
    Die Freundin zeigte mit der Tatze auf die lichtbelebte Oberfläche und sagte: »Hier, sieh. Das dort, dieses Blasige, ist ein Schimmelpilz.«
    »Sieht aus wie Schleim«, sagte Feuer. Die Freundin leckte sich mit der langen Zunge über die Nase, setzte sich auf einem Holzschemel zurecht und sagte: »Ist es auch. Eine sehr besondre Sorte. Der alte Name lautet dictyostelium discoideum . Hochinteressanter Lebenszyklus, paß nur auf. Siehst du?«
    Die Farben auf der Oberfläche waren fahl; was da so seltsam lebte, wirkte wie zerkocht.
    »Die Menschen«, fuhr die Freundin mit wollig warmer Stimme fort, »haben das hier erst sehr spät entdeckt, gegen Ende ihrer Herrschaft über die belebte Welt. Verstanden haben sie es nie. Jetzt, schau hin, die Vergrößerung: Das ist die vegetative Phase des Lebenszyklus bei diesem Schimmel. Einzelne Zellen. Ein zufälliges Kollektiv unverbundener Monaden.«
    »Sieht aus wie, ich weiß nicht ... Amöben?« Er dachte an die Lektionen des Vaschen.
    »So in etwa, ja. Die Menschen nannten es Myxamobae. Sie fressen Bakterien. Solange es welche gibt, wachsen die Zellen und vermehren sich. Aber jetzt, schau – wir nehmen ihnen die Nahrung weg. Gib acht.«
    »Hmmja. Oh ... he! Was ist denn das? Die ... diese Einzeller schuscheln aufeinander zu. Schieben sich ... sie verklumpen. Matschen aneinander.«
    »Ja. Eigenartig, nicht? Sie bilden eine andre Masse. Gewebegleich. Die Menschen nannten das Pseudoplasmodium.«
    »Das ... das bewegt sich von allein! Es ... ist das ein neues, eigenständiges Lebewesen?«
    »Schwer zu sagen. Einzeller, die sich organisieren ... wie nenne ich das Ergebnis am besten? Ich kann es beobachten, dann erkenne ich schnell: Es sucht ganz offensichtlich wirklich selbständig nach Nahrung. Eine winzig kleine Schnecke. Sie wird vom Licht angezogen, sie achtet auf Temperaturunterschiede, auf Feuchtigkeit

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