Die Abschaffung der Arten
als das Silberwasser im Bach unter Feuers Zuhause sprudelte; wie man an den Wolken erkannte, was für Wetter kommen würde und wovor man sich dicht am Boden in acht nehmen mußte.
»Hüte dich«, sagten die Freunde mit Fell, »vor allen, die unbedingt Menschen sein wollen, und vor deren Maschinen und vor den Eltern derer, die Menschen sein wollen, und vor den Eltern der Maschinen und vor den Kindern derer, die unbedingt Menschen sein wollen, und vor den Kindern der Maschinen. Hüte dich vor allem, was aus Atalanta stammt und aus Niobe und aus den Kolonien in der Gegend von Lavinia. Die dort wohnen, wollen dich töten, falls sie dich kennen.«
»Warum? Und was soll das: töten?«
Sie sagten: »Schwer zu erklären. Sie sehen dich als etwas, das man so gründlich kaputtmachen sollte, daß es nie wieder richtig zusammengesetzt werden kann.«
»Aber ich bin doch kein Ding, das man ... ich bin ein Muster. Das hängt doch nicht von dem ab, was ich, in Fleisch und Blut ...«, er kämpfte damit, zu erklären, warum das, was diese sagenhaften Verfolger offenbar wollten, so unsinnig war, »...also ein Muster kann man doch nicht ... das könnte man doch auf ein anderes Substrat übertragen. Was lebt und Sprache hat, kann eigentlich nie wirklich ... irreversibel beseitigt werden.«
»Das stimmt. Aber das wissen sie nicht.«
»Na und? Sie können doch nicht etwas tun, nur weil sie nicht wissen, daß es nicht geht. Was nicht geht, kann man nicht tun, fertig.«
»Es handelt sich für sie nicht ums Zerstören des Musters. Es handelt sich, für diese Leute, darum, den Teil des Musters zu zerstören, der von sich selber wissen kann. Sie bringen dich weg, sozusagen, aus deinem ... aus dir ... und verstecken dich so, daß du dich nicht wiederfindest und daß es möglichst auch keinen mehr gibt, der dich sucht.«
»Also sie nehmen mir die Sprache und sorgen dafür, daß ich sie nicht wiederfinde, das ist die Absicht.«
»Weißt du ... auf der alten Welt, zur Zeit der Gente, hätten sie es viel schwerer gehabt, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Damals wärst du am Tag deiner Geburt bereits in Partialen und Kopien ins Pherinfonnetz gebettet worden, von deinen Eltern. Nicht, daß das allen so ging, aber wenn jemand so wichtig war wie du ... Das Leben lebte dicht an dicht, auf der alten Welt, und war, weil die Gente es so eingerichtet hatten, durch Düfte verbunden, selbst da, wo sich die Moleküle dieser Düfte nicht so schnell bewegen konnten, tief unter Wasser. Hier dagegen sind die Abstände noch zu groß, die Welt ist nicht hinreichend dicht besiedelt und zu heiß, zu lebensfeindlich in vielen Regionen, um ein Pherinfonsystem tragen zu können. Deshalb können sich Verwirrte wie die, vor denen wir dich warnen, hier freier bewegen. Und das Leben und die Sprache der Wenigen, Seltenen sind also bedroht.«
Diese Auskünfte veränderten die Lage: Jetzt wollte Feuer doch mehr wissen, als ihn bisher interessiert hatte – über Menschen, Maschinen, über Kinder und Eltern.
Menschen zumindest konnte man Feuer zeigen, indem man ihn zu lichtbelebten Oberflächen im Innern der alten Schiffe führte, in denen das Leben hergekommen war. Da bewegten sich Abbilder und stellten seltsame Sachen an. »Sie sind ganz dumm«, fand Feuer, der Prinz, und lachte und ging in die Hocke, um sich nah heranzubeugen an die Bilder.
»Später, wenn du erwachsen bist«, mahnte ein Freund, »wirst du das anders sehen. Die Vernunftlosigkeit der Geschöpfe, denen du da zuschaust, ist überhaupt nicht lustig.« Feuer ahnte, was gemeint war: Sie wußten nicht, was sie wollten, wußten nicht, was sie sollten, wußten nicht, was sie konnten und was ihnen unmöglich war.
Feuer beobachtete einen Menschen dabei, wie der zeigte, daß er nicht denken konnte. Offenbar besaß er nichts, wozu er, wie Feuer zu sich, hätte »ich« sagen können, sondern nur Triebe, die ihn zum Beispiel dazu brachten, Dinge vom Tisch zu nehmen, der vor ihm stand, und daran zu riechen.
Es gab nichts, was in ihm sagte: »Hm, was ist das?« Nur einen Appetit, der an dem Geruch lutschen wollte, und ein Abwarten im Blick, ob wohl die Zunge daran lecken würde, und eine Hoffnung, daß er, wenn die Zunge wirklich dran lecken sollte, vielleicht darauf herumkauen konnte. Er nahm also etwas an sich, das nicht eßbar war, und dann kaute er darauf herum, und dann spuckte er es aus. Danach beugte er sich darüber und ließ die Nase noch einmal überprüfen, ob das ein Ding war, das sich vielleicht
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