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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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glaubte er, für die Macht der Selektion. Darauf hatte ein anderer Mensch, nämlich der Hauptbegründer der späteren dritten Schule, mit einer anderen mathematischen, an primitiven elektronischen Computern durchgerechneten Demonstration geantwortet, deren Ergebnis lautete: Der Kollege hat einen Fehler gemacht, es gibt tatsächlich nur sechs wirklich mögliche Formen, und alle existieren in der Natur.
    Man braucht also, so das hieran anschließende Argument, die Zusatzannahmen der Selektionslogik nicht, um im Laufe eines Entwicklungsgangs bei den robusten Bauplänen anzukommen, die bekannt sind. Organismen, so die dritte Schule, entwickeln sich seitwärts, vorwärts, rückwärts, um alle möglichen Gestalten anzunehmen, die nach den Regeln der Automaten überhaupt in Frage kommen, deren Konkretion sie sind.

    Gilt das, was die dritte Schule lehrt, auch für meinen Weg in die Burg?
    Ist der so eine Form, so ein Muster?
    Padmasambhava beschloß, sich auf diese Debatte nicht einzulassen.
    Zwei der neun Flugmaschinen feuerten weiterhin in die Ebene, um nunmehr nachdrängende Kriegerinnen und Krieger abzuhalten, während eine dritte Maschine sich jetzt, leicht schwankend, wie eine große Himmelsschaukel vor der kleinen roten Echse im Sand niederließ, ihr Maul öffnete und mit Lichtern blinkte, die der Überlebenden bedeuteten, sie sei innen willkommen.
    Padmasambhava nahm die Einladung an.

XII.
IM GROSSEN FISCH ZUR SCHLECHTEN STADT
1. Zagreus
    Auf dem weiten Weg zur Maschine mit den Stielaugen stießen immer wieder Salamander und Freunde mit Fell zu Feuer, nur um sofort wieder in alle Richtungen davonzueilen oder zurückzufallen, nach einem offenbar längst vereinbarten Plan: »Wir legen Spuren, wir spalten den Weg.«
    Der Prinz machte sich verdrossene Gedanken darüber, was die Verfolger ihm antun konnten. Er wußte zwar, wie schwer es war, ihn zu verwunden, und hatte nicht vergessen, wie schwer er zu halten war, wenn man ihn fing. Aber nichts davon war geeignet, ihn zu beruhigen oder zu trösten: Er dachte daran, daß sie ihn rösten würden, bis er schrie; daß sie ihm Knochen brechen oder Körperteile abtrennen konnten, selbst den Kopf, und er ging nicht davon aus, daß er das überleben würde.
    Vor allem aber hatte er gesehen, was sie mit Lebendigem, das Sprache hatte, anstellten: Sie waren imstande, es zuzurichten, wie die Freunde und der Vasch die vernunftlosen Tiere zurichteten, die sie aßen.
    Aus etwas, das denkt, etwas machen, das nur noch ein Ding ist, und ein kaputtes dazu: Das ging.
    Felsen, Sterne, Lebewesen: Er erinnerte sich dunkel, wie er sie vor ein paar Stunden aus überfließender Seele geliebt hatte, seine ganze Heimat, und ihm wurde klar, daß sie ihm nicht mehr sicher schien.
    »Wohin gehen wir?«
    »Wart's ab. Red nicht soviel. Spar deine Kräfte.«

    Die Maschine lebte in einer lehmverschmierten Beule, die Feuer ungern »Hütte« hätte nennen wollen.
    Der Apparat winkte den letzten bei Feuer verbliebenen Freund mit eiligen Gebärden herein und bedeutete den beiden, sie sollten sich vom Tisch was nehmen: Gräser, Trauben, Wasser, »Trinken und Essen, ich selbst werde packen – mich und was wir sonst brauchen«.
    »Was heißt wir, wie kannst denn du mir helfen«, fragte Feuer trotzig, »und wohin soll's gehen? Wenn sie von Niobe kommen, dann reicht ihr Arm weit. Wo sollen wir uns verstecken? He, Maschine, ich rede mit dir.«
    Die Maschine fummelte an sperrigen Gerätschaften und »packte«, das heißt, sie griff sich aus staubigen Metallregalen Zeug, dessen Zweck Feuer nicht erraten konnte. Den Kram klemmte der Apparat sich in dafür offenbar vorgesehene Ritzen, Zwischenräume, Halterungen am eigenen Gestellrahmen. Eins seiner gläsernen Augen glitt jetzt von dieser Beschäftigung weg, wandte sich Feuer zu, maß ihn, wackelte auf tänzelnder Stielschlange, dann sagte die Maschinenstimme: »Wenn du mit mir reden willst, Junge, sprich mich ordentlich an. Ich heiße nicht ›Maschine‹, ich heiße Zagreus.«
    »Zagreus, von mir aus. Wohin gehen wir drei also?«
    »Dein Freund, der Neudachs, bleibt hier. Er wird mein Observatorium hüten, meine Taster und Fernsonden, um den Verlauf des Überfalls zu beobachten und die Folgen abzuschätzen. Du und ich, wir klettern hinter den zwei letzten Vulkanen im Süden deiner ... Heimat nach unten, bis wir die schmale Ebene erreichen. Dort werden wir abgeholt und dem Zugriff deiner Feinde enthoben. Da klär' ich dich ein bißchen auf, und dann suchst du den

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