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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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einer Person bezieht, sondern von der Rolle in einer Kette von Schlüssen. Ein Wort bedeutet etwas, ein Satz auch, weil das Wort oder der Satz als Voraussetzung, Ergebnis oder Material einer Folgerung, einer Rechnung geeignet ist.«
    »Richtig«, Pyretta nickte und lächelte. »Und du weißt auch, wie das mit den Setzlingen vereinbar ist? Wie es möglich wurde, daß ein Bewußtsein ... eine Person ... also eine handlungsfähige Summe von Bedeutungen ... das Substrat wechseln kann – jemand, der ein Hirn war, wird ein Rechner oder ein anderes Hirn oder«, sie zwinkerte (habe ich das wirklich gesehen, dieses Blinzeln), »eine Flüssigkeit, und verliert dennoch nicht seine Identität.«
    »Das steht alles in den Gesprächen zwischen Izquierda und dem Löwen, nicht wahr?« erwiderte er.
    »Eine Gegenfrage ist keine Antwort, mein Freund.« Sie redete ihn so an, noch immer lächelnd, um ihn daran zu erinnern, daß er ihr ausgeliefert war – eine Drohung.
    »Sie haben ... es steht drin, daß sie anfangs zögerten und dachten, Übertragungen dieser Art seien bestenfalls Simulationen ... die Ergebnisse dann also Apparate oder Hirne, die sich mit jemandem verwechselten, ohne die und der wirklich zu sein. Aber dann ... dann hat Lasaras Arbeit über die Akzidentialität der Attribute ... ihr ... ihr Beitrag zur Gelehrsamkeit der Gente ... das Wechseln der Körper, Geschlechter, der Arten, ja aller Taxa ... die wahre Rolle von Wissensquellen wie Wahrnehmung, Erinnerung und Zeugnis erschlossen, die drei Sorten Quellen nicht nur von ... Erkenntnis, sondern auch von Individualität. Das war die Abschaffung der ...«
    »Moment. Identität: Was war die technische Pointe daran?«
    »Ähm ... wer bin ich, wenn nicht das, was ich will, was ich bezeugen kann und woran ich mich erinnere? Man hatte geglaubt, diese drei seien nicht inferentiell. Dabei ging es nur um den Unterschied zwischen Wahrheit und Wirklichkeit, um die Grade der Verläßlichkeit. Denn auch diese ... drei liefern ja Gründe für Schlüsse – nämlich dann, wenn sie zutreffen. Wenn das Zeugnis falsch ist, die Wahrnehmung trügt, die Erinnerung täuscht ...«
    Pyretta hob die rechte Hand, gebot ihm damit, daß er schweigen sollte, und horchte auf etwas, das man ihr über den Stöpsel mitteilte, der in ihrem linken Ohr steckte.
    Sie sprach in ein kleines Mikrofon, am Bügel vor ihrem Mund: »Er ... wohin? Und von ... aus der ... ja, ich weiß, man hat in Niobe keine ... ah. Ah, gut. Ja.« Sie schüttelte den Kopf, mit krausgezogener Stirn. »Ja, gut, ich frage ihn. Ja, was sonst? Eben. Gleich.«
    Sie sah Feuer schweigend an, mehrere schwere Atemzüge lang.
    Er wußte, daß sie plötzlich Angst hatte und daß man ihr nichts mehr ins Ohr sagte, aber er wußte nicht, was sie gehört hatte, was sie in Furcht versetzte – seit dem Moment der unerwarteten Berührung im Kerker war es ihm nicht mehr gelungen, ihre Gedanken deutlich aufzufangen.

    Sie atmete noch einmal aus, wie besiegt, und fragte dann, die Brauen hebend, als könnte sie es selbst kaum glauben, daß sie so etwas fragte: »Was weißt du über einen roten Riesenaffen?«

Vierter Satz: Mach es neu
(Finale)

Cy: Schau direkt in die Sonne. Deine Augen können das, genau wie meine. Die Augen der Leute ... der Menschen, früher, konnten das nicht.
    Iz: Ich weiß, was du meinst: Die Menschen hatten im Grunde nie eine richtige Ahnung davon, was die Sonne ist.
    Cy: Von so vielen Sachen hatten sie ... es war alles in dieses Zwielicht getaucht für sie, für ... uns. Ich war ja auch einer.
    Iz: Ich erinnere mich, auch wenn ich nicht dabei war. Ich habe dich, viel später, das erste Mal in Hamburg gesehen, auf den Trümmern, im Glühen, mit Asche in deiner Mähne.
    Cy: Wir haben Affen aus Labors geholt damals. Die beste Zeit, die ... rechtschaffenste. Nicht wegen irgendeiner ethischen Beklopptheit, es ging nicht gegen die Wissenschaft, es war nur ... diese Versuche waren völlige Zeitverschwendung – man zeigte Schimpansen Videos von Menschen, die Probleme lösten, Puzzles und so etwas. Dann stellte man sie vor Verhaltensentscheidungen, um herauszufinden, ob sie verstanden hatten, was man ihnen gezeigt hatte. Und weil sie dabei so gut abschnitten, dachte man, sie hätten die ... geistigen Vorgänge in den Menschenhirnen für sich analysiert, sie besäßen, wie das damals hieß, ein Modell, eine Theorie des Geistes. Dabei hatten die Menschen selber keine, jedenfalls keine, an der sich das Affenbenehmen hätte messen,

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