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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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eichen lassen können. Lange her.
    Iz: Gedankenlesen über Speziesgrenzen hinweg. Damals eine von vielen Sackgassen, heute ...
    Cy: Heute ... schau in die Sonne. Schau hoch hinauf in den Himmel.
    Iz: Der Himmel ist voll Licht.
    Cy: Ja, siehst du es? Alles, was dunkel scheint, ist ... das ganze Schwarz ist in Wahrheit weiß, wenn du nur glaubst. Die Zeit der drei Städte läuft ab, aber ich bin immer noch der König. Ich kann dir und den andern den Zweifel nehmen. Es wird einen besseren Ort geben, ein schöneres, wahreres Zwielicht.
    Iz: Du hast nie besser ausgesehen als mit der Asche im wilden Haar. Nie königlicher.
    Cy: Die Städte werden brennen. Der Himmel wird noch heller leuchten. Es wird wieder Asche regnen.
    Iz: Die Sonne ... sie ... schwimmt, das Licht ist Wasser.
    Cy: Das Licht ist Wasser, ja, und das Wasser ist Licht. So geht unsere Theorie des Geistes.

    Aus den Löwengesprächen, VIII/21

XV.
VOR DER ABREISE
1. Frau Späths Fanfare
    »Warum bist du gekommen? Was willst du?«
    So aufzutreten hatte die rote Echse in der Politik gelernt: Man eröffnet möglichst feindselig, dann kann sich's nachher beruhigen. Die nackte Frau mit dem W-Kettchen um den Hals, die am geöffneten Fenster auf dem Fensterbrett saß, als lege sie es darauf an, hinauszustürzen, lächelte hinterlistig, rührte mit dem Zeigefinger den brühheißen Kaffee in der grünen Tasse um (mein bestes Porzellan; sie bedient sich, als gehöre ihr hier alles, dachte Padmasambhava, eher beeindruckt als erzürnt) und sagte gelassen, wie mit unterdrücktem Gähnen: »Dir beibringen, was du wissen mußt. Und dich dann losschicken, auf deine Reise.«
    Der Finger im Kaffee: keine Brandverletzung – das soll mir sagen: Sie ist kein Mensch, auch wenn sie wie einer aussieht. Vielleicht trennt sie sogar noch mehr vom Menschsein als mich, als alle hier, als überhaupt alles, was heute lebt. Padmasambhava schnaubte, als wolle sie ihren Geist aushauchen, und blaffte dann die Langersehnte an: »Ich weiß schon alles, was ich wissen muß! Und reisen werd ich erstmal auch nicht. Ich bin zurückgekommen, um mich in meiner Kammer zu verkriechen und meinen Absturz aus dem Rampenlicht in die, Dings, wie heißt das? In die Verachtung auszukosten.« Der Kaffee, dachte sie dabei noch einmal: Sie trinkt ihn nicht. Der Rand der Tasse ist jungfräulich sauber. Sie dampft, die Brühe, aber obwohl der Finger es aushält, scheint die Frau innen (im Hals, im Magen) nicht ganz so feuerfest zu sein. Oder hat es einen andern Grund, daß sie nicht kostet, was da dampft? Egal, ich werde sie jetzt erst einmal abwimmeln: »Du bist hier falsch. Falsches Haus, falsche Person, falscher Zeitpunkt.«
    »Pöh«, ein Laut ohne Bedeutung, und dann eine Fanfare aus sechstausend Tönen, in einer ultradichten Staffelung, deren Geometrie kein organisches Hirn begreifen konnte, unter Umgehung der Ohren wie auch der Spintronik direkt in Padmasambhavas Hörzentrum geschickt, daß die rote Echse unterm Sinnesdatenansturm zusammenklappte, sich auf den Hintern setzte und mit offenem Mund die Absenderin anstarrte. Padmasambhava brauchte fünf Minuten, um den eigenen Atemrhythmus und die richtige Pulsfrequenz wiederzufinden. Ihr Kinn fühlte sich danach an wie die weiche Windlade einer Orgel aus feuchter Seife, ihr Becken wie eine klingende Glasharmonika. Sie sah wie von ganz innen aus sich heraus, die Welt war umgekrempelt, die Sache tat auf elende Art sogar gut, oder auf köstliche Art weh. Padmasambhava schluckte trocken, hatte Angst und freute sich.
    Sie atmete ein, aus, ein aus ein aus. Dann befühlte sie ihre Stirn und erkannte, daß sie in breiten Bächen schwitzte, von der Kopfhaut her, den Schläfen, auch den Wangen. Ein Reptil schwitzt? Wie das? Es tropfte ihr vom Kinn, lief in den Kragen. Die Flügel auf ihrem Rücken zuckten, sie wollten, was hier drin ganz unsinnig gewesen wäre: sich entfalten, zur vollen Spannweite – ein Fluchtreflex.
    »Was ... hast du mit mir gemacht?« fragte sie die Komponistin.
    »Och, Musik. Etwas, das du noch lernen mußt. Erst lernst du das, dann lernst du tanzen.«
    Padmasambhava schüttelte den Kopf: »Alle ... roter Schreck ... du hast wirklich ... Ich weiß gar nichts. Ich hatte keine Ahnung.«
    »Na ja«, Cordula Späth zuckte mit den Schultern und stellte die Kaffeetasse auf den Tisch (wieso Tisch? Warum saß sie jetzt rechts von der roten Echsenfrau auf einem Metallhocker, statt links von ihr im Fenster? Und wieso war es draußen dunkel, und weshalb war

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