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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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das Fenster geschlossen? Was war geschehen, in den fünf Minuten, zwölf Stunden, zwei Jahren, seit Padmasambhava das Haus betreten hatte?). Die Komponistin ging zu der Gestrauchelten und half ihr auf die Beine.
    »So ganz fair war's ja nicht, von wegen keine Ahnung. Wer wirklich von Musik nichts wüßte, von den alten Künsten, den neuen und den zeitlosen, den, oder die ... nein, eher den, ich seh, du bist schon weit mit der Transformation ... whatever, einen Ahnungslosen hätte ich nicht so treffen können, mit meiner kleinen Demonstration. Ehre, wem Ehre gebührt, pi pi pa po.« Sie nahm die Echse in die Arme, spendierte ihr ein bißchen Körperwärme, hielt sie fest, bis das Zittern abklang.

    Während Padmasambhava noch damit beschäftigt war, die wolligwuschlige Dankbarkeit zu begreifen, die sich in ihr regte, meldete sich der Kaffee zu Wort: »Hallo? Die Damen? Werde ich sitzengelassen, ausgeschlossen und ignoriert? Typisch Weiber: Man finanziert den Spaß, man läßt sich aussaugen, und dann wird man in irgendeine Tasse geschüttet und weggestellt. Bin ich ein Witz? Bin ich nicht der, den man angerufen hat, als, bitteschön, Gott, als rechtzeitig opfernden Priester des Opfers, als den, der dem Opfernden den besten Schatz verschafft, als den wirklichen Chauffeur der anderen Götter, als Dunkel-Erheller, als großen Flüssigmacher der benötigten Mittel, als den, der an sich selbst entzündet wird, als Flammenkranz und ...«

    »Ach halt die Klappe, Ryu«, ächzte die Komponistin, »du machst uns die ganze schöne vertrauensstiftende Maßnahme kaputt mit deinem Geseier.«
    Padmasambhava streifte die Arme der Beschützerin nicht ab, aber sie blickte über ihre Schulter auf das schwarze Zeug in der Tasse: »Ryuneke Nirgendwo? Er ist hier? Nach tausend ... nach über tausend Jahren?«
    Cordula Späth führte sie zum Tisch, half ihr, sich auf einem scharlachfarbnen Sessel niederzulassen, der seine Form brav ihren Konturen anpaßte, und sagte im Konversationston: »Na, sie sind alle hier, wenn deine Definition von ›hier‹ erst mal stimmt. Präsenz ist ein reines Zeitproblem, und kein besonders kompliziertes.«
    »Vor allem eins der Integrität«, quietschte die Brühe, »ich meine, die meisten, außer Cola und mir, haben längst vergessen, wer sie waren, sich in Partiale aufgespalten oder mehrere Persönlichkeiten in einer vereinigt – was willst du machen, tausend Jahre Migration zernagen das dichtestgeknüpfte ...«
    »Und Geschichte. Vergiß nicht, daß zumindest auf dem Mars«, die Komponistin lächelte entschuldigend, »seit ein paar Generationen wieder Geschichte statthat. Die ist bedrohlicher für eine langfristige Einheit der Person als die ausgedehnteste leere Dauer.«
    »Du mußt's wissen. Ich hab mich jedenfalls mit am längsten gehalten – im Fluß bleiben, das ist das Geheimnis. Die meisten Sorgen der Leute, da ändert sich wenig, ob's Menschen sind, Gente, Aristoi, Minderlinge, Alt- oder Neudachse, haben mit Liquidität zu tun, natch !« Das Näseln des Fuchses wurde blasierter, während sich über der Tasse jetzt ein deutlich sichtbares Wölkchen bildete und dann ein Sprühnebel darunter: Zwischen Kaffeeoberfläche und weißem Bausch entstand Regen.
    Er regnet in sich selbst zurück, was ist das?
    Padmasambhava hielt mit Mühe ein Lachen zurück, von dem sie wußte, daß es in Kreischen ausarten mußte, wenn sie es nicht beherrschte. Statt dessen zwang sie sich, zu tun, was die politische Arbeit sie gelehrt hatte: Sie lenkte die Verblüffung und Verstörung in produktive Bahnen, indem sie Cordula Späth bat: »Erklär's mir. Was meinst du mit der ... Definition von ›hier‹?«
    »Mumm hat sie«, freute sich der Kaffee, und Cordula Späth erwiderte: »Ort. Zeit. Die beiden grundlegenden Lektionen, nicht? Kausalität, der Mörtel des Universums, das kommt als Drittes dazu. Ursache und Wirkung – wie das Ganze auf das einzelne einwirkt und umgekehrt –, du warst nah dran, in deiner Rede unterm Baum. Wenn er noch Sprache hätte – sie – tja, Livienda hat sich bewußt dafür entschieden, zu vergessen. Ich nehm's ihr nicht krumm. So was passiert. Sie ist zufrieden, denke ich. Ihre Kinder leben, ihre Saat geht auf. Aber mit dem Individuum und der Geschichte verhält sich's wie bei der Schwerkraft: Die Raumzeit sagt der Materie, wie sie sich bewegen soll, und die Materie der Raumzeit, wie sie sich krümmen darf. Das Kollektiv und du, das Erbe und du, die Zukunft und du – bist ins Schwimmen

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