Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
Vom Netzwerk:
holzhaltigem Material; überhaupt Hybride zwischen Tier und Pflanze, Tier und Mensch – sie fand Zentauren in den Steppen ums versunkene Borbruck, und Schmetterlinge mit Menschengesichtern; wilder Weizen, der sich nicht mehr nur in Erde, sondern sogar in Felsen bohren und dort überleben, sogar gedeihen konnte.

    Padmasambhava untersuchte unterdessen Flüssigkeiten – sammelte Regen in Blättern, schnitt in Pflanzen, ließ Tiere bluten und stellte allen dieselbe Frage, die nicht beantwortet wurde, bis eines Morgens, als er aus wüsten Träumen zu sich kam, auf einer Lichtung im tiefsten Tannholz das Mundstück des Kustosprogamms wieder vor ihm stand, spektral fahl, eine Mahnung in Frauengestalt: »Such nicht mehr, Padmasambhava. Er ist nicht hier – wir hatten ein Abkommen. Wir wollten es, auch wenn er lange unsere versteckte Liaison bei den Gente war, ohne den Fuchs versuchen. Er fügte sich und organisierte den Exodus, zusammen mit Lasara.«
    »Aber Spuren von Lasara, die sind überall – warum nicht Spuren von ihm?«
    »Wir haben die Zeit angehalten, und Zeit ist Geld, deshalb bleibt Ryuneke aus unserem Rayon verbannt.«
    Padmasambhava blieb nichts anderes übrig, als das zu glauben; aber da er in der langen Sehnsuchtsspanne der Trennung von Fiamettina nichts Befriedigenderes gelernt hatte als eben das Suchen, machte er sich nun auf die Suche nach ihr.
    Sie aber war es, die ihn fand, und beide freuten sich.
    »Wir werden wieder älter, hast du das gemerkt?« fragte die Schwester. »Langsam, sehr langsam, aber der Prozeß ist ...«
    »Ich nehme an, sie erlauben das aus Gründen. Die Kustoswesen. Damit wir ein Maß bekommen, für den Eigenzeitablauf.«

    Gemeinsam reisten sie an Orte, die sie zuvor allein erkundet hatten; meistens zu Fuß, da sie nie in Eile waren.
    Ganz selten erlaubten sie sich kleinste Sprünge in der Musik, nie zeitförmig (vor einer Berührung mit den Bändern hatten sie Angst), immer nur im Raum.
    Zu ihrer Erleichterung stellten sie fest, daß sie sich jetzt besser miteinander verstanden als in den ersten gemeinsamen Jahren. »Es war wahrscheinlich«, spekulierte Fiamettina eines Abends am Lagerfeuer im Hochgebirge, am Ufer eines klaren, spiegelglatten Sees, »die Absicht unserer Eltern, daß wir ...«, »... der Mutter wohl eher, die war«, nickte Padmasambhava, »immer sehr gut in Absichten. Er ... hat sich eher treiben lassen«, und Feuer stimmte zu, nach allem, was sie in sich von den beiden wußte. »Ja. Nun, sie dachte wohl, der Geschlechterwechsel mit Eintritt in die ... Reifezeit würde uns das Einanderkennenlernen, Einanderverstehen erleichtern, aber so simpel geht das halt doch nicht. Man kann nicht einfach Mann oder Frau werden, wenn man vorher das andere war, und dann auch noch gleich verstehen, was man ist. Was eine Person tut, ist, was sie ist – wir mußten so leben, eine Weile, bevor wir wurden, was wir waren.«
    »Yeah«, sagte Padma vage, aber liebevoll, ein hohes Wort in der klassischen Sprache.
    Dann küßte sie ihn, damit er sich nicht so anstellte, nur wegen dem bißchen Offenbarung.

    Manchmal beobachteten sie Keramikaner der letzten, sechzigmillionsten Generation, manchmal wurden sie von denen beobachtet. Ein lebendiges Totem der Vergangenheit aber, so eins wie der Schwan bei ihrer Ankunft, tauchte nie wieder auf.
    Die Comtesse war wohl einzig.
4. Planetarische Abstraktion
    Nichts hätte sie darauf vorbereiten können, keine Simulation, keine gefilmte Erinnerung, keine Geruchskonserve, keine Lektion im Innern des Walbauchs, keine Hilfe vom Klappstuhldachs Zagreus oder der Puppe Sankt Oswald: was der Ozean war, wie sich das ausnahm, dieses Meer, vorn fernhin in Weiten, Urmedium des Lebendigen, Mutter, gewaltige planetarische Abstraktion.
    »Genug Wasser, um vom Anblick blind zu werden«, fand Padmasambhava. »Genug, um reinzuspringen und drin rumzuschwimmen«, widersprach Feuer, und das war ein so praktischer Vorschlag, daß der Venusjunge sich ergab. Sie faßte seine Hand und zog ihn, bis sie rannten, bis sie sich in die Wellen werfen konnten, unter einem Himmel, der dank dem Spiegel der See darunter noch viel größer geworden war, ins Blaue und Grüne.
5. Biberauge
    Eines Morgens, weit landeinwärts, Padmasambhava schlief noch, wusch sich Feuer im eisig klaren Strom zwischen großen Pilzen, als plötzlich zahlreiche Soldaten mit Gewehren den Fluß überquerten, keine zehn Meter weit von da, wo Feuer stand. Alle folgten lauten, rauhen Befehlsrufen, manche

Weitere Kostenlose Bücher