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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Banknoten und Münzen, seltener als das des Löwen zwar, aber öfter als jedes weitere) – »das allgemeine Äquivalenzmaß weiter gebräuchlich sein wird, bis wir aus der Sprengung der Taxa eine Wirklichkeit gemacht haben, werde ich mich weiter einmischen, selbst wo ich gar nichts dazu tu. Aber wie mit dem Geld, das wir benutzen, um es abzuschaffen, will ich es jetzt mit dem Körperlichen halten. Denn soll ich mich etwa weiter träge in dieser trägen Welt mitbewegen? Das ist mir, liebe Gente, viel zu träge, das erinnert mich zu sehr an die Langeweile, an die menschliche Mühsal, an die Engelswachen vor dem Paradies, ans Verjagtwerden. Wollt ihr die Zeit zurück? Unmittelbar verausgabte Körperkraft als gesellschaftliche Grundlage fortlaufender Überproduktion von allem möglichen Dreck, und dann der ganze Rattenschwanz vom Gegensatz zwischen allgemeinem Reichtum und besonderer Arbeit? Wollt ihr, daß man euch alle zwei Minuten an euren neuen Schweifchen zieht? Der Wert, ach Unfug. Ich will, Brüder und Schwestern, der Ärmste und der Reichste sein, einer, der noch nicht mal einen Apparat hat, der Arbeit verrichten kann, verfeinert bis zu dem Punkt, da jeder nur noch aus der Idee von dem besteht, was er sein könnte. Potentialis!«
    »Ryuneke Nirgendwo – so sollten wir dich ab jetzt alle nennen. Willst du als Spray inkarnieren?« soll der Löwe ihn dafür gefrotzelt haben. Der Name blieb haften, aber die Antwort des Fuchses erfuhren wenige, darunter Sdhütz Arroyo, der beim Gespräch persönlich zugegen gewesen war: »Keine schlechte Idee.«

    Nach dem letzten wirtschaftsweisen Gefallen, den Ryuneke dem Löwen getan hatte – es war die berühmte Finanzierung eines stehenden Heeres, gedeckt dank der Erfindung einer rein militärisch gelenkten Agronomik, in enger Zusammenarbeit mit der grünen Dachsin Georgescu entwickelt; eine Verfahrensweise, aus der später Lasara so viele grundlegende Wahrheiten über die Zivilisation der Gente deduziert hatte –, war der alte Fuchs verschwunden.
    Die höheren Angestellten seines zunehmend immaterieller und zeitentbundener funktionierenden Imperiums, also etwa der Orang-Utan und alle seine Aufsichtsrats- und Teilhaberkolleginnen und -kollegen, erfuhren von ihren Entlassungen, die allmählich, frei von Hast, innert zweier Dutzend Jahre nach dem Verschwinden des Fuchses abgewickelt wurden, nur per Pherinfonbrief.
    Das erste Lustrum nach seiner persönlichen Entlassung, bei der man ihn auf »weitere Dienste und besondere Aufgaben« vereidigt hatte, war für den Affen eine wahre Tortur gewesen: Er hatte es im Zustand nervenzehrendster Paranoia verbracht. Wo war der Boß, wann würde er das Postskriptum der Kündigung einlösen, die Reservistenklausel? Mit Grauen las der Affe wieder und wieder das pherinfonische Siegel seines Entlassungsbriefs: »Ich könnte dich und ein paar der Getreuen, wie Philomena die Libelle, die jetzt, nachdem sie von der Dame Livienda frei ist, direkt in Königsdienste übertritt, eines Tages wieder brauchen. Du wirst daher zu gegebener Zeit angesprochen werden.«
    Vermögenswerte, Infrastruktur, Logistisches, große Rechner und disponible Rechenzeit: Einen Großteil seiner Kapitalien hatte der Fuchs seinerzeit hergeschenkt, vor allem an die Werften und Häfen. Sein altes Lieblingsprojekt, große Überseetransporter aus festem Eis zu machen, das man mit einem Nadelstich, aber nicht per Erhitzung verflüssigen konnte, wurde von einigen tatsächlich in Angriff genommen; es gab Erfolge.

    Der Affe Sdhütz Arroyo aber hielt fünf bauchschmerzgeplagte Jahre lang Ausschau, in Sturzbächen, aufsteigendem Rauch, Ölfeuern, in Seifenfilm auf Pfützen, im Wirbeln, in Wolkenmustern, Konvektionszellen und überall sonst, wo flüssige Dynamik war. Er wußte, daß Ryuneke den neuen technischen Möglichkeiten das Äußerste an Flucht und Sublimierung abgewinnen würde.
    Fast war er jetzt enttäuscht: Der giftige Winzling hier, das soll's gewesen sein?
    »Ich bin bloß eine Puppe, die dir sagt, wohin du gehen sollst, Pensionär.«
    Der Orang-Utan ächzte wie eine alte Tür, kratzte sich unter der rechten Achsel und kippte dann den Rest seines Getränks halb in den Hals, halb ins Brustfell.
    Er blickte zum breiten Fenster, betrachtete die Kondenstropfen auf der Scheibe, jeder ein kleines Auge, das nicht zwinkern konnte. »Wo steckt er also? Der Boß?«
    »Es ist, wie die Leute sagen: Ryuneke Nirgendwo. Sie könnten auch sagen: Ryuneke Überall. Wo du ihn vermutet hast,

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