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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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instinktgesteuertes Verhalten zu beruhigen gedacht: Mit Gras, Haaren und gefundenen Federn war er darangegangen, eine Baumwurzelhöhle sich auszupolstern, um dort, statt am Feuer mit den Gefährten, etwas Schlaf nachzuholen und zu träumen, wovon Frettchen träumen.
    Den Bauch am Boden, in vorsichtig flachen Zügen atmend, schlich sich Anubis zwischen den Hügeln an den Abhang, in dessen tiefstem Punkt zwei Menschen einen dritten traten, daß der heulte und sich vor Schmerz zusammenrollte.
    »Auf jetzt! Und ins Geschirr zurück! Steh auf!«
    Sie waren Kinder, sah Anubis jetzt, und verkrüppelt: An ihren Armen gab es keine Hände, nur Stümpfe mit stachelartig knochigen Auswüchsen. Lumpen am Leib, von getrocknetem Sumpfwasser und Schlamm verdreckt, gingen zwei in Sandalen aus schwarzem Material, vielleicht Reifengummi – Anubis wußte Bescheid über die Sitte der Abgetanen, aus den letzten unverwüstlichen Überresten der Langeweile primitive Gebrauchsgüter zu fertigen. Das Mädchen, das am heftigsten nach dem Hilflosen im Dreck trat, trug aber Stiefel aus Leder, mit glänzenden, polierten Kappen, womöglich aus Stahl, dachte das Frettchen.
    Andere liefen hinzu; es war schließlich ein halbes Dutzend Leute beisammen. Das Opfer der Tritte sah nicht einmal am elendesten aus – es gab zwei etwas weiter entfernt Stehende, die noch hinfälliger wirkten. Die Haltungen, die sie einnahmen, kurz vor dem Umfallen, verriet dem Frettchen, daß sie müde waren von schweren Strapazen, vielleicht einer Reise, die sie noch weiter geführt, noch zielloser umgetrieben hatte als die drei Helden die ihre. Um die Bäuche der Schinder waren Riemen gebunden; sie trugen, daran festgemacht, Gurte über den Schultern, die sich auf dem Rücken kreuzten, wo Haken aus Metall und Schlaufen waren. Sie hatten wenig Haare, ihre Augen waren groß, ihre Gesichtszüge für Menschen sogar schön, wenn auch von Wut und Entbehrung verzerrt.
    Hinter der Biegung, unterhalb einer Reihe hoher Tannen, kamen weitere Erwachsene zum Vorschein, die an Seilen einen großen, aus knotigem Balken- und Bretterwerk gezimmerten Bollerwagen mit schweren beschlagenen Rädern zogen. Am rings um diesen Wagen aufgepflanzten Rahmen hing Kochgeschirr, auch waren da Lappen, soßig braun, dann ein paar Knochen, nicht von Menschen, soweit das Frettchen deren Anatomie kannte, vielleicht von Gente, möglicherweise aber auch von Tieren, die keine Sprache hatten, vielleicht unglücklichen Hunden, außerdem verschiedenes Gerät, von dem Anubis nicht erriet, wozu es gut war.

    Auf der freien Ladefläche erkannte das Frettchen zusammengebundene Gegenstände um eine verdreckte, aus bemaltem Zinn oder ähnlichem gefertigte Wanne gruppiert, die man auf der Bodenplatte festgeschraubt hatte und in der teils stumpfe, teils glänzende Riegel lagen: Barren aus Gold, mehr als ein Dutzend.
    Anubis fragte sich, was die Menschen mit dem Zeug vorhatten. Er wäre froh gewesen, wenn eine Verbindung zur großen Ökotektur der Pherinfone bestanden hätte, so daß er den Freunden oder anderen Gente hätte Nachricht geben können. Nie zuvor waren ihm Menschen begegnet, mit denen er etwas gemeinsam hatte: Sie waren auf der Flucht vor den Keramikanern und würden vielleicht sogar, wenn sie auf ihrem gegenwärtigen Kurs blieben, früher oder später um Einlaß in Landers bitten.
    Sollte der Löwe zulassen, daß man sie aufnahm, und sei's als Bewohner der schmutzigsten Ghettos, im Schutt, in der Kloake, die zu ihnen paßten? Entstand, vom Krieg erzwungen, eine neue Sorte Schicksalsgemeinschaft?
    Das Kind am Boden rollte sich seitlich ab, bis es ein Ginsterbüschel streifte. Auf einmal war es, ohne Zuhilfenahme seiner Arme, aufgerichtet, auf den Knien, und hob den Oberkörper den Tritten entgegen. Es schrie, es spuckte Blut und Speichel. Schwarze Flüssigkeit lief ihm aus dem linken Ohr und beiden Nasenlöchern, während es sich schüttelte, als wären Teufel in es gefahren. Die Quäler wichen erschrocken zurück, die Erwachsenen lachten.

    Das Frettchen geriet in grimmige Stimmung: Wir haben ihnen die Hände zerstört, und einigen von uns, auch mir, in meiner Jugend, war beim Gedanken daran mulmig. Wenn man aber sieht, wie sie einander auch ohne Hände beharken ... der Gedanke wurde nicht zu Ende gedacht, denn jetzt sah Anubis etwas noch viel Beunruhigenderes: Sie hatten gelernt, mit ihren zerstörten Greifwerkzeugen so geschickt zu agieren wie zuvor mit den fünffingrigen. Einer der Männer am Karren

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