Die Abschaffung der Arten
nämlich nahm, dabei die Fortsätze seines Armknochens wie robotische Präzisionsgreifer gebrauchend, eine Rute mit an einer Kette festgemachter tropfenförmiger Kleinkeule, wohl einem steinchen- oder glasgefüllten Lederbeutel, vom Rahmen, lief im Geschwindschritt zum Getretenen und schwang dabei den Stab, wie um zu drohen: Steh auf, sonst wirst du mit dem Ding geschlagen.
Ein Schluchzer, der dem Frettchen den Magen zusammenzog, drang aus der Kehle des Knienden, dann war der Große bei ihm, holte schwungvoll mit der Rute aus und hieb den Schleuderbeutel so heftig gegen den Kiefer des Kindes, daß etwas krachte, splitterte. Der ganze Oberkörper wurde nach rechts geworfen. Anstatt aber erneut auf den Boden zu schlagen, federte der kurze Leib zurück wie eine Gerte, fiel dann nach vorn, und um nicht in den Staub zu fallen, stützte sich das Kind mit seinen Armstümpfen ab.
Zwei der andern Kinder waren gleich zur Stelle, griffen ihm mit verwachsenen Nichthänden unter die Achseln, rissen es hoch. Es würgte, drückte mit der Zunge weiße Bröckchen aus dem Mund. Anubis begriff, daß das Zähne waren.
In einem Tonfall, der nicht unbeherrscht, ja beinah freundlich klang, ermahnte der Mann mit dem Stock sein Opfer: »Willst du jetzt zurück an den Wagen, oder sollen wir dich kochen wie die Köter?«
Das Kind hatte sich also irgendwie aus den Seilen, an denen jetzt die Erwachsenen zogen, befreien können, und dann hatten die Erwachsenen die andern Kinder, weil die schneller laufen konnten als sie, von den Fesseln losgemacht, damit sie den Ausreißer fingen. Das war geschehen – was für eine Spezies, gruselte sich das Frettchen, deren Meute man für Bütteldienste befreien, ja buchstäblich von der Leine lassen kann, ohne fürchten zu müssen, daß sie davonlaufen. Warum? Weil man sich darauf verlassen kann, daß das Mobvergnügen ihnen lieber ist als eine unsichere Freiheit.
Anubis hatte genug gesehen. Sein Nest wollte er in der Nähe dieser Monster lieber nicht einrichten. Er beschloß, zu den Freunden zurückzueilen, um Hecate zu fragen, was zu tun war: Sollte man sich mit den Menschen anlegen, einlassen, sie meiden oder sie den Keramikanern zutreiben, um zu erforschen, was geschah? Sollte man nicht das Wappen der Gente als Feldzeichen im Krieg gegen beide, Menschen und Keramikaner, wieder aufrichten?
Anubis fand Huan-Ti beim Schärfen seiner Krallen an einem schwarzen Stein.
Vielleicht, mutmaßte das Frettchen, markierte er damit sogar ein imaginäres Revier.
Hecate wieherte hinter ihm, er blickte sich um: Sie stand auf einem kargen Flecken Wiese, den sie in kurzer Zeit abgegrast hatte.
»Freunde, aus der Rast wird nichts«, pfiff das Frettchen, »ich bin einer bösen Sache begegnet.«
In knappen Worten schilderte Anubis, was er gesehen hatte.
Sein unsicherer Vorschlag, man könnte die üble Gesellschaft ja vielleicht zu Versuchen in Sachen Keramikaner einsetzen, ließ Huan-Ti auflachen. Die Tinkerstute war anderer Ansicht: »Ich finde, wir sollten ihnen aus dem Weg gehen.«
»Hast du Angst vor dem Stock und dem Knüttel?« höhnte der weiße Tiger.
Hecate schüttelte unwirsch den Kopf: »Wir überwältigen sie ohne Mühe, das ist klar. Waffen hin, Waffen her – sie sind wenig mehr als, nun ja, Wilde. Aber die Keramikaner ... damit spielt man nicht. Wir rennen nicht kopflos davon, aber wir verringern den Abstand auch nicht ohne Not. Das war die Übereinkunft. Wir überlassen die Menschen ihrem Schicksal, wir haben mit unserem eigenen genug zu tun.«
»Die Menschen ihrem Schicksal überlassen, und einander«, Huan-Ti leckte sich über die Hauer, »davon hab ich gehört. Das ist die Geschichte von der Kannibaleninsel – die erste Zwangsmaßnahme gegen Menschen, die der Löwe verhängt hat, kurz nach der ... Gründung von Borbruck.«
Anubis kannte die Geschichte nicht: »Was war das?«
Hecate schnaubte, dann scharrte sie im Erdreich, schließlich sagte sie mit finsterem Gesichtsausdruck: »Man hat sie zusammengetrieben und verschifft. Auf Tankern.«
»Verschifft wohin?«
»Eine künstliche Insel, aus aufgeschwemmtem Korallenbestand. Reich baumbewachsen. Mit Früchten. Etwa dreihunderttausend Leute, manche sagen auch, eine halbe Million – Izquierda, damals noch selbst eine Dachsin ...«
»Ach?« Das war Huan-Ti neu.
Hecate nickte: »Ja, deshalb die enge Zusammenarbeit mit Georgescu. Der alte Militäradel des Löwen, die kennen sich, seit sie ... weder Fell noch Flügel hatten. Jedenfalls wurden
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