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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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furchtlos genug überläßt, von Ruhe und Frieden nicht zu unterscheiden.
    Sie sagte: »Du bist mir schon so ein Buddhabaum, mein Lieber.«
    Das Tolle war, daß der Baum antwortete: »Wenn's ernst wird, mußt du mich hier rausholen.«
    »Wer ...wa – du? Baum?«
    »Du Tarzan, ich Baum. Ganz recht.« Die Stimme, Contralto, klang unaufgeregt, aber ernst: »Ich habe das genossen, wie du mir dein Herz hier immer wieder ausgeschüttet hast. Du bist, wie hieß das früher? In Ordnung.«
    »Und du? Wie in Ordnung bist du?« Der Blick der Frau suchte, während sie Anschluß an diese merkwürdige Unterhaltung fand, wachsam die Umgebung ab.
    Der Baum gab sich Mühe, sie zu beruhigen: »Hab keine Angst: Wir können uns ganz frei verständigen. Ein paar sehr zuverlässige ... Pilze ... halten Wache und sondern verwirrende, speziell auf Desinformation zurechtgeschneiderte Pherinfone ab, die Katahomenleandraleals Sinne trüben, ohne daß sie das merkt. Störtröpfchen. Irrlichter. Außerdem glaubt sie sich ohnehin sicher, in ihrem eigenen, wie würdest du sagen? Wohnzimmer – da vermutet sie niemanden, der ihr so wenig ... zu Willen ist wie ich.«
    »Scheint der ganze Witz an dem Riesenspiel zu sein«, sagte Frau Späth und fuhr sich mit der Rechten über den vorgestern wieder einmal von Mikrohelfern der Göttin kahlgefressenen Schädel, auf dem gerade erst neue weiße Haare zu sprießen begonnen hatten.
    »Welcher Witz an welchem Spiel?«
    »Daß sich alle überschätzen, bevor noch die entscheidende Schlacht begonnen hat. Der Löwe, seine Techniker, die große dicke Keramikmutter.«
    »Du und ich«, sagte der Baum, »wir überschätzen uns nicht. Das macht uns zu Seelenverwandten.«
    »Na ich danke«, sagte Frau Späth im Ton, in dem man niest.
    Der Baum knarrte wie tausend alte Taue. »Ich hätte mich viel früher absetzen sollen. Aber ich hatte, ich geb's zu, mein Vergnügen dran, mir vorzustellen, was mein Geschiedener für ein Gesicht ziehen wird, wenn er erfährt, daß ich so lange unter der Nase seiner Nemesis gelebt habe. Außerdem war der ganze Sinn meines Exils, daß ich endlich einmal an einem selbstgewählten Ort ein paar Wurzeln schlagen kann, statt mich immer für alles so ... bodenlos zu interessieren, daß ich mich in alle Wechselfälle werfe, nur den Idioten zum Nutzen.«
    Sie redet gern von Gründen, dachte Frau Späth, also ist sie offenbar gewohnt, daß es noch etwas anderes als Idioten gibt. Sie fragte nach: »Dein Geschiedener?«
    »Der nichtsnutzige Vater meiner wunderschönen Tochter.«
    »Lasara«, sagte Frau Späth und blinzelte. Jetzt wußte sie, wen sie vor sich hatte.
    Madame Baum räusperte sich; wurde dann wütend: »Er kann von Glück sagen, der Trottel, daß ich so wenig nachtragend bin. Ich habe ein paar seiner Agenten hier durch kleine Schubser, Glitches und Unregelmäßigkeiten, die meine Störtröpfchen verursachen, vor der Entdeckung bewahrt. Und ich habe Informationen, die er sammeln ließ, verbessert, interpoliert – was seine Spione ihm vorlegen, hätten sie allein nie sammeln können.«
    »Und an mich wendest du dich jetzt weshalb?«
    Ein Käfer krabbelte aufs linke Knie der Komponistin. Sie wischte nach ihm – und fand, daß er nicht verschwunden war, nachdem ihre Hand ihn eigentlich hätte weggefegt haben müssen. Sie drückte die flache Handfläche drauf, nahm sie weg – er wuselte weiter, war also eine Illusion.
    Interessant.
    Livienda antwortete: »Weil wir zwar den angenehmen Mangel an Selbstüberschätzung gemeinsam haben, weil uns aber doch etwas trennt: Du unterschätzt dich, und das würde ich gern ändern, im Tausch gegen gewisse ... Freundlichkeiten, die du mir erweisen könntest.«
    »Ich bin also wichtiger, als ich glaube, ja? Wie das?«
    »Du hast ihr sehr geholfen, auf eine Art, wie das keine ihrer vielen ... Unterjochten könnte. Katadingsda, meine ich. Du bist freiwillig bei ihr geblieben, als sie dich darum bat. Sie kennt dein Geheimnis, sie weiß, daß du die ... Freieste von allen bist, die heute leben. Aus deinem Hirn hat sie, während du schliefst, in eurer ersten gemeinsamen Nacht hier, das Wissen gepflückt, das ihr ihren Kriegszug erlaubt. Ohne dich zu töten. Erstaunlich, daß sie das nicht tut. Nicht will ...«
    »Vielleicht kann sie's nicht.«
    »Siehst du. Was hieße das? Wie mächtig bist du also?«
    »Na gut, das Wissen, das ...«
    »Die Kenntnis der Wege, die seitwärts durch alles führen. Die porösen Stellen im Festgefügten. Die Fluchttunnel aus

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